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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Bettwäsche.»
    Die Dame in Rosa zwinkerte George zu. Er lächelte zurück, und einen Augenblick lang befürchtete Taylor, dass er tatsächlich in den Laden gehen und ihre Dienste in Anspruch nehmen könnte.
    «Kleiner freundschaftlicher Rat», flachste er. «Lass sie bloß nicht auf dich drauf.»
    «Die ist zwar echt mein Typ», gab George zurück, «aber ich finde, wir sollten uns lieber noch ein bisschen umschauen.»
    Sie gingen die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße ein Stück weiter entlang bis zum nächsten Etablissement, das genauso hell erleuchtet war wie das erste. Die Frauen dort waren jünger und hübscher, hielten aber die Brüste bedeckt, weshalb viel weniger «Giraffen» vor dem Schaufenster standen.
    «Unsere türkischen Freunde glotzen lieber, als dass sie bezahlen», erklärte Taylor, während sie sich bis zum Fenster vordrängten. «Die meisten kommen nur, weil sie hier umsonst nackte Titten zu sehen kriegen.»
    Die beiden Frauen im Schaufenster posierten vor einem kitschigen Kachelmosaik, das eine Strandlandschaft am Mittelmeer zeigte. Die eine sah aus wie eine türkische Aerobic-Lehrerin. Sie trug ein gelbes Trikot, das immerhin weit genug ausgeschnitten war, um etwas nackte Haut zu zeigen. Die andere, ein junges Mädchen von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren, saß stolz und kerzengerade auf einem Barhocker und maß die schamlos glotzenden Männer mit eisigen Blicken, ohne eine Miene zu verziehen. Ein Triumph der Selbstbeherrschung und der Selbstverachtung zugleich, fand Taylor.
    «Lass uns reingehen und sehen, was sie kosten», sagte er.
    «Okay», stimmte George zu.
    Als Taylor die Glastür öffnete, erhob sich der Zuhälter der beiden von einem Stuhl am Fuß der Treppe. Er war ein kleiner, dicker Mann im ärmellosen Unterhemd, dem ein kurzer Zigarettenstummel zwischen den Lippen hing.
    «Hallo, Bruder», begrüßte ihn Taylor auf Türkisch. «Das sind schöne Mädchen, frisch wie Blumen.» Das Mädchen in dem gelben Trikot lächelte ihn an und kicherte. Sie fand es offenbar amüsant, dass ein Ausländer Türkisch sprach.
    «Danke,
Abi
», sagte der Zuhälter. «Und sauber sind sie auch, Allah sei Dank.»
    «Dürfte ich mit ihnen reden?»
    «Wie Sie wollen,
Abi
.» Er musterte Taylor mit zunehmend misstrauischem Blick. Bis auf die ungehobelten Matrosen von der sechsten Flotte verirrte sich nur selten ein Amerikaner in die Giraffenstraße.
    Taylor blickte durch das Fenster nach draußen und bemerkte, dass noch ein paar Gaffer dazugekommen waren. Beim Anblick all der geilen Gesichter, die mit weit aufgerissenen Augen auf die beiden Frauen starrten, verspürte er spontan das Bedürfnis, die beiden türkischen Vögelchen aus ihrem Käfig zu befreien.
    «Ich mag die gelbe», sagte George.
    «Bist ein schlauer Bursche», erwiderte Taylor und schob seinen Kollegen hinüber zu der Frau im Trikot, die angefangen hatte, wie wild mit ihren falschen Wimpern zu klimpern.
    «Hallo, Pistazie», sagte er zu ihr. Das türkische Wort für Pistazie –
fistik
– war zugleich ein Kosename für eine wohlgeformte Frau.
    «Wie heißt du?», fragte Taylor auf Türkisch.
    «Gungor.»
    «Was hat sie gesagt?», wollte George wissen.
    «Gungor. So heißt sie.»
    «Was ist denn das für ein Name?»
    «Ein türkischer, du Trottel.»
    George lachte, und die junge Frau in Gelb lachte mit, obwohl sie keine Ahnung hatte, wovon die Männer sprachen. Der türkische Zuhälter lachte nicht. Ihm schien die zweisprachige Unterhaltung, das Gekicher und die allgemeine Verwirrung, die seit der Ankunft der beiden Amerikaner in seinem Laden herrschte, überhaupt nicht zu gefallen.
    «Wir sind hier in der Türkei», sagte er in seinem würdevollsten Ton. «Und da spricht man Türkisch.»
    «
Kasura bakma
», sagte Taylor höflich. Entschuldigen Sie bitte. War nicht so gemeint.
    Der Zorn des Türken schien besänftigt, und Taylor wollte gerade wieder zu feilschen anfangen, als er sah, wie sich plötzlicher Schrecken auf das Gesicht des Zuhälters malte.
    «Was ist denn los?», fragte Taylor.
    «Madame Mazloumian!»
    Taylor drehte sich um und sah eine kleine, weißhaarige Alte, die den Laden durch eine Hintertür betreten hatte.
    «Die kommt ihr Geld abholen», sagte der Zuhälter, der nun richtiggehend verängstigt aussah. Das Mädchen in Gelb verschwand mit angsterfüllter Miene hinter einem Vorhang, während die Eisprinzessin ungerührt auf ihrem Barhocker sitzen blieb.
    «Lass uns verschwinden», sagte Taylor. «Das sieht nicht

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