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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Terrain unterwegs sind. Und bevor Sie abreisen,machen wir noch einen Erkennungscode mit ihm aus. Aber Sie sollten ihn wirklich nur im äußersten Notfall anrufen, das ist sonst viel zu unsicher.»
    «Okay», sagte Anna.
    «Herrje, nun machen Sie sich doch nicht so viele Sorgen!», sagte Howard. «Das wird alles ganz prima laufen. Lassen Sie sich bloß nicht aufs Kreuz legen.» Er lachte herzlich, und Anna versuchte mitzulachen, brachte aber nicht einmal ein Kichern zustande.
     
    15  Anna landete am späten Nachmittag in Istanbul, inmitten von rußig-grauem Smog, der den ganzen Flughafen einhüllte und über den Bosporus bis nach Anatolien zu reichen schien. Am Flughafen selbst herrschte eine militärisch gefärbte Dritte-Welt-Atmosphäre: Start- und Landebahnen waren von Wachtürmen und Stacheldraht gesäumt, bedauernswerte Rekruten standen in der Winterkälte Wache und froren sich den Hintern ab, damit ihre Vorgesetzten weiter so tun konnten, als hätten sie alles unter Kontrolle. Und dazwischen überall Staub und Schutt, wie er sich in Entwicklungsländern an allen öffentlichen Orten ansammelt, wimmelnde Menschenmengen, die sich niemals in Reih und Glied bringen lassen würden.
    Für eine allein reisende Frau ist die Ankunft in einem solchen Umfeld keine einfache Sache: zu viele Augen, die sie mustern, zu viele Hände, die nach ihrem Gepäck greifen, zu viele Taxifahrer, die ihr das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Und Anna war sich dieser ganz normalen kleinen Demütigungen an diesem Tag noch stärker bewusst als sonst. Der kleine Mann mit der verkniffenen Miene hinter dem Zollschalter sah sichihren Pass viel zu lange an, er studierte das Dokument ausführlich, sah ihr erst ins Gesicht, dann wieder in den Pass und konsultierte eine Liste mit verdächtigen Ausweisnummern. Anna versuchte, ruhig zu bleiben und keine Reaktion zu zeigen, nicht einmal ein nervöses Lächeln, doch sie hatte trotzdem weiche Knie. Schließlich drückte er seinen Stempel in den Pass und winkte sie durch.
    Anna holte ihr Gepäck und reihte sich ein in die Schlange vor dem grünen «Nichts zu verzollen»-Schild. Der Zollbeamte winkte sie heraus. War sie irgendwie aufgefallen? Hatte sie etwa versehentlich seinen Blick aufgefangen und ihn mit der schuldbewussten Miene, die das Dasein des Zöllners so einfach macht, zu einer Kontrolle herausgefordert? Oder lag es einfach nur daran, dass sie als allein reisende Frau grundsätzlich verdächtig war? Er durchsuchte ihren Koffer, betatschte ihre sämtlichen Kleider und ließ sie dann gehen. Ein triefäugiger alter Gepäckträger bemächtigte sich ihres Koffers und trug ihn bis zum Ausgang des Flughafengebäudes. Weil Anna kein türkisches Geld bei sich hatte, gab sie ihm eine britische Pfundnote, und als er zum Protest ansetzte, noch eine weitere.
    Als sie endlich ein Taxi ergattert und sich auf dem billigen Leopardenbezug des Rücksitzes niedergelassen hatte, war sie kurz davor zu explodieren. Doch auf der Fahrt besserte sich ihre Laune ein wenig. Durch den Smogschleier konnte sie die Umgebung zumindest erahnen: die verrosteten Frachter, die im Marmarameer vor Anker lagen, das Gedränge aus Autos, Schiffen und Menschen rund um die Galatabrücke.
    Istanbul war ein einziges Chaos, und Anna konnte kaum glauben, wie sehr es in den zwei Jahren, seit sie zum letzten Mal hier gewesen war, mit der Stadt bergab gegangen zu sein schien. Sie wirkte erschöpft, wie nach langer Belagerung: An jeder Wandhingen verblasste Wahlplakate, an Plätzen und Kreuzungen verbreiteten billige Lautsprecher blechern ihre Propaganda, und überall in den Eingangshallen und vor den Fahrstühlen standen Wachmänner, die jeden fixierten. Anna musste an das alte Klischee denken, demzufolge türkische Männer nur aus zwei Augen und einem Schnurrbart bestanden. Das zumindest hatte sich offenbar nicht geändert.
    Sie bezog ihr Hotel in Taksim – ein durchschnittliches Haus, nicht zu schick, aber auch nicht zu schäbig – und kaufte sich ein paar türkische Zeitungen, die sie auf dem Zimmer durchblätterte. Der Terrorismus beherrschte sämtliche Titelseiten. Die
Cumhuriyet
prangerte einen Bombenanschlag auf einen linksextremen Buchladen in Istanbul an, die
Tercüman
beklagte den Überfall auf ein rechtsradikales Kaffeehaus in Malatya. Das ganze Land schien aus den Fugen zu sein.
    Anna beschloss, Ascari nicht gleich am ersten Abend anzurufen. Ihr Einsatzplan sah keinen genauen Zeitablauf vor, sie konnte sich nach ihrem Gefühl

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