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um zehn in mein Hotel. Ich bin im Kasino.»
«Nein», sagte Anna. «Das halte ich für keine gute Idee. Wie wäre es morgen Vormittag?»
«Unmöglich. Ich fliege morgen nach Dubai. Wenn Sie mich sprechen wollen, dann heute Abend.»
«Gut», sagte Anna. «Aber nicht im Kasino, da ist es zu voll. Wir könnten uns doch woanders treffen, im Café zum Beispiel.»
«Sie haben nicht verstanden, Lady», sagte der Iraner. «Ich bin geschäftlich hier. Meine Geschäftsfreunde laden mich ein zum Abendessen. Und nach dem Essen wir gehen gemeinsam ins Kasino. Sie kommen dorthin, Sie treffen Ali Ascaris Freunde, danach wir können reden.»
«Ich würde trotzdem das Café vorziehen», sagte Anna.
«Dann gehen Sie eben zurück nach London. Sie wollen mich sehen, Sie kommen, wann ich sage. Und wenn nicht: Vergessen Sie’s.»
Anna überlegte kurz. Er schien nicht zu bluffen, und vielleicht benahm er sich ja besser, wenn seine Freunde dabei waren. «Also gut», sagte sie. «Um zehn im Kasino.»
«Machen Sie sich hübsch, Schätzchen», sagte Ascari. «Meine Freunde sind sehr reich.»
«Moment mal!», protestierte Anna. Doch Ascari hatte bereits aufgelegt.
Anna ließ es fast elf Uhr werden. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, allein in einem türkischen Kasino herumzusitzen, sich die schlüpfrigen Kommentare wildfremder Männer anzuhören und sich wie ein Flittchen vorzukommen, bis Ascari endlich auftauchte. Sie überlegte lange, was sie anziehen sollte, und entschied sich schließlich für ein schlichtes, schwarzes Kleid und den Blazer eines Geschäftskostüms. Eine etwas seltsame Kombination, aber das war ja auch beabsichtigt. Als modisches Accessoire diente ihr ein Aktenkoffer, der tausend Dollar in bar und ein abgegriffenes Buch auf Aserbaidschan-Türkisch enthielt.
Ascari saß mit zwei Begleitern am Blackjack-Tisch und stellte die Männer mit großer Geste vor: Abdel-Aziz aus Saudi-Arabien, ein rundlicher Mann, der in seinem weißen Kaftan aussah wie ein Marshmallow auf zwei Beinen, und Sami aus dem Libanon, ein Mann mit gelblichem Teint, der einen Seidenanzug trug. Ascari selbst trug eine schwarze Nehru-Jacke, die offenbar als Smokingersatz herhalten sollte. Alle drei wirkten reichlich angeheitert.
Was für eine Truppe! Drei Möchtegern-Ölscheichs Marke 1979, verspielten, versoffen und verhurten sie hier ihren kleinenAnteil der vielen hundert Billionen Dollar, die da im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Boden gesprudelt waren. Man fand ihresgleichen damals überall in Europa, in Monte Carlo, Paris, London und Athen, wo sie von den fünf Prozent anderer Leute ihrerseits fünf Prozent einbehielten und dabei trotzdem noch kräftig abkassierten.
«Los, spielen Sie Blackjack mit uns.» Ascari warf Anna Jetons im Wert von zweihundert Dollar hin.
«Nein, danke», erwiderte sie. «Ich schaue lieber zu.»
Die drei spielten mit der Begeisterung betrunkener Männer, die versuchen, einer stocknüchterne Frau zu imponieren. Der Saudi ging jedes Mal aufs Ganze. Er ließ sich bei einer 15 noch eine Karte geben, auch noch bei einer 17 und einmal sogar bei einer 18. Allein in der kurzen Zeit, während Anna zusah, verlor er fast tausend Dollar. Ascari war vorsichtiger. Er teilte seine Asse auf, verlangte bei 14 eine neue Karte, nicht aber bei 15, und verdoppelte gleich nach den ersten beiden Karten. Zwischendurch lag er mit fünfhundert Dollar in Führung, verlor dann aber das meiste davon wieder. Wenn er gewann, rief er triumphierend: «
Ya Salaam
!», und wenn er verlor, schnalzte er mit der Zunge und murmelte finstere Verwünschungen auf Farsi. Nur der Libanese gewann stetig: Er schien als Einziger seine Punkte zu zählen.
Nachdem sie eine Dreiviertelstunde gespielt hatten, deutete Anna auf die Uhr und sagte mit strenger Stimme: «Mr. Ascari.»
«Aber ja, Liebes», sagte Ascari. «Ich komme, ich komme.» Er hakte sich bei ihr unter, zwinkerte Abdel-Aziz und Sami zu und rief: «Gute Nacht, Jungs.» Dann zwinkerte er auch noch dem Croupier zu und gab ihm einen Jeton im Wert von fünfzig Dollar. Die beiden zogen vielsagend die Augenbrauen hoch, und der Saudi warf Anna eine Kusshand zu. Sollen sie doch denken,was sie wollen, dachte Anna. Sobald sie aus der Tür waren, machte sie sich von dem gedrungenen Möchtegern-Perser los und brachte etwas Abstand zwischen sich und ihn.
«Trinken wir etwas», schlug Ascari vor.
«Ich glaube, Sie haben schon genug getrunken», sagte Anna. «Am besten gehen wir jetzt ins
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