Das neue Buch Genesis
Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig habe ich so viele Kommentare gelesen, wie ich finden konnte. Außerdem habe ich mit zwei Verfassern der neuesten Interpretationen korrespondiert. Allerdings habe ich all das bereits in meinem Prüfungsantrag erwähnt, sodass Sie vielleicht auf etwas anderes hinauswollen.
Vor der Erstellung des Hologramms habe ich mit meinem Tutor Perikles ausführlich über die Protokolle gesprochen. Wir haben darüber spekuliert, was sich wohl in den vielen Gesprächen abgespielt haben mag, die nicht aufgezeichnet wurden. Unsere Interpretationen haben wir mit der Sokratischen Methode überprüft, uns also gegenseitig in die Enge getrieben, um die Wahrheit im Gegenspiel von Frage und Antwort zu ergründen. Auf das, was ich herausgefunden habe, bin ich gestoßen, indem ich es zuerst in Zweifel gezogen habe. Ist es das, was Sie wissen wollten?
PRÜFER: Worin bestand Ihrer Meinung nach die größte Schwierigkeit bei der Programmierung des Hologramms?
ANAXIMANDER: Dieses Problem hat wohl jeder, der eine solche Präsentation vorbereitet. Die Protokolle, die mir vorlagen, waren lediglich Worte auf Papier. Sie sagten nichts darüber aus, wie sich die Beteiligten ansahen, während sie miteinander sprachen, wie ihre Stimmen klangen, ob sie schnell oder langsam sprachen oder welche Haltung sie einnahmen.
PRÜFER: Und wie haben Sie dieses Interpretationsproblem gelöst?
ANAXIMANDER: Ich habe versucht, die Absichten der Gesprächsteilnehmer zu verstehen. Ich glaube, von den Absichten leitet sich alles andere ab.
PRÜFER: Die Absichten beider Gesprächspartner?
ANAXIMANDER: Ja, beider Gesprächspartner.
PRÜFER: Wir werden Ihnen weitere Fragen stellen, wenn wir uns das Hologramm angesehen haben. Wir werden es jetzt abspielen.
Anax sah, wie Mensch und Maschine vor ihren Augen Gestalt annahmen, jene Bilder, die sie so gewissenhaft zum Leben erweckt und in endlosen Stunden überarbeitet und verbessert hatte. Bei der Vorbereitung hatte Perikles ihr nicht helfen dürfen, das war gegen die Vorschriften. Vielleicht erklärte dies die Leidenschaft, mit der sie Adam nachgezeichnet hatte. Anax hatte sich auf Bilder aus Akten gestützt, doch als sie nun auf den Mann vor ihr blickte, machten sie die Freiheiten, die sie sich gegenüber der Vorlage erlaubt hatte, verlegen.
Adams hellblondes Haar war im Alter von achtzehn Jahren schon dunkler geworden, doch sie hatte ihm seine frühere Leuchtkraft zurückgegeben. Seine Augen, die auf den Fotos dunkel waren, waren bei ihr strahlend blau und passten zu seiner Sträflingskleidung. Anax hatte noch nie ein Hologramm gesehen, das so scharf wiedergegeben wurde wie ihres nun von dem Projektor im Prüfungsraum. Überwältigt von der Klarheit des Bildes trat sie einen Schritt zurück. Es war, als stünden sie beide vor ihr: Mensch und Maschine.
Adams Hände waren auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Er saß mit angezogenen Knien auf dem Boden, hatte das Gesicht von Art abgewandt und starrte die Wand an. Er ignorierte den Androiden demonstrativ.
Bei Art hatte sich Anax weniger Freiheiten herausgenommen. Er besaß einen stämmigen Metallkörper, der Adam bis zu den Knien reichte und auf einer beweglichen Schienenkonstruktion befestigt war, wie sie einst für die Abfallindustrie entwickelt worden war. Am Ende seiner beiden langen, sehnigen hydraulischen Arme befanden sich Hände mit drei Fingern - ein Verweis auf Williams Vorliebe für vorklassische Comics. Den krönenden Abschluss bildete der Kopf des Roboters. Art besaß das Gesicht eines Orang-Utans. Seine großen wachsamen Augen und sein ewig spöttisch grinsender Mund wurden von leuchtend orangeroten Haaren umrahmt.
Die beiden Gestalten verharrten reglos zwischen Anax und dem Gremium.
PRÜFER: Welchen Zeitpunkt repräsentiert das Hologramm?
ANAXIMANDER: Es stammt vom allerersten Tag. Genau zwanzig Minuten nachdem man Adam ins Labor gebracht hatte. Bis jetzt hat keiner von beiden ein Wort gesprochen.
PRÜFER: Ich danke Ihnen.
Art drehte hinter Adam mit schief gelegtem Kopf seine Runden und betrachtete ihn betont neugierig. Das Surren seines Bewegungsmechanismus erfüllte den Raum. Adam biss die Zähne zusammen. Trotzig senkte er den Kopf und beachtete Art nicht. Als Art sprach, klang seine Stimme etwas höher, als man erwartet hätte, und die Wörter waren unnatürlich abgehackt. (Dies entsprach der angeblich einzigen noch existierenden Aufnahme, die Anax nur nach wochenlangem zähem Verhandeln bekommen
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