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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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Täufer oder Jesus – sie waren rein und unschuldig, beseelt vom Atem Gottes. Und deshalb konnte Jesus auch nicht gekreuzigt worden sein. Denn eine Kreuzigung war die Strafe für einen Verbrecher.
    Im Koran, das wusste Uthman, wird Jesus auch nicht gekreuzigt, denn Allah verspricht ihm: Ich will dich eines natürlichen Todes sterben lassen. Ich will dich zu mir erheben und dich reinigen von den Anwürfen jener, die ungläubig sind, und will die, die dir folgen, über jene setzen, die ungläubig sind, bis zum Tage der Auferstehung. Dann ist zu mir allein eure Wiederkehr vorgesehen, und ich will richten zwischen euch über das, worin ihr uneins seid.
    So stand es im Koran. Und das neue Evangelium, das Uthman jetzt las, rechtfertigte auf seltsame Weise diesen Glauben. Es zeigte die Handschrift Allahs und seines Gesandten. Aber konnte Uthman wirklich mit Henri darüber sprechen?
    Der Freund war schon jetzt tief erschüttert über die Andeutungen, die Uthman über den Inhalt gemacht hatte.
    Dennoch beschloss der Sarazene, nicht locker zu lassen. Er musste den neuen Text bis zum Ende studieren. Dann würde er Henri mit der Wahrheit konfrontieren. Henri verlangte von ihm die ganze Wahrheit. Und noch nie hatte Uthman ihn belogen.
    Uthman versuchte, sich an weitere Suren des Korans zu erinnern. Der Koran sagt beispielsweise über die Juden, sie brüsteten sich damit, Jesus gekreuzigt zu haben. Aber wegen ihres Geredes, den Messias getötet zu haben, muss man sie tadeln. Denn sie hatten ihn weder erschlagen noch den Kreuzestod erleiden lassen. Sondern er erschien ihnen nur gleich einem Gekreuzigten, gleich einem Gepeinigten. Und jene, die in dieser Sache uneins waren, hatten keine bestimmte Kunde von den tatsächlichen Vorgängen, sondern sie folgten bloß einer Vermutung. Aber Allah hatte ihnen einen Ehrenplatz eingeräumt, denn Allah war allmächtig und gütig, allweise. Uthman erinnerte sich an den letzten Satz dieses Absatzes im Koran – Es ist keiner unter dem Volk der Schrift, der nicht vor seinem Tod daran glauben wird, und am Tag der Auferstehung wird Jesus ein Zeuge wider sie sein. So stand es in der Sure vier, in den letzten Absätzen, Uthman kannte den Koran auswendig wie jeder Muslim.
    Aber ging es ihn etwas an?
    Sollten die Christen und die Juden sich über alle diese Fragen streiten!
    Uthman trat wieder ans Fenster. Noch immer ging Jesus de Burgos in der Ferne auf dem Platz umher. Aber jetzt suchte er den Schatten der Palmen. Uthman hörte die Gefährten im Gasthaus sprechen. Zu Mittag wollte er zu ihnen gehen und ihnen seine Erkenntnisse mitteilen. Auch Madeleine war noch immer bei ihnen. So wie damals Maria Magdalena zu der Runde der Jünger gezählt hatte, so gehörte Madeleine jetzt zu ihnen. Auch sie hat gesündigt, dachte Uthman. Sie hat unsere Liebe verraten. Sie wird uns verlassen.
    Aber er konnte nichts dagegen tun.
    Uthman seufzte. Er lenkte sich von seinen Gefühlen zu Madeleine ab, die verletzt worden waren. Er musste Madeleine vergessen, hier und heute.
    Uthman rief sich die Stellen des Koran in Erinnerung, die im Zusammenhang mit dem Barnabas-Evangelium wichtig waren. Wie würde er Henri das alles beibringen können?
    Jesus Christus wurde vor der Kreuzigung in den Himmel erhoben, aber er war nicht Gottes Sohn. Es gab auch keine Dreifaltigkeit. Der Islam verurteilte sie ohnehin als Vielgötterei. Und Jesus selbst hatte sich im Koran gegen die Behauptung gewehrt, er habe sich als leiblicher Sohn des allmächtigen Gottes ausgegeben. Jesus hatte nach dem Koran gesagt:
    »O Volk der Schrift, übertreibt nicht in eurem Glauben und sagt von Allah nichts als die Wahrheit. Der Messias, Jesus, Sohn der Maria, war nur ein Gesandter Allahs und eine frohe Botschaft von ihm, die er nieder sandte zu Maria, und eine Gnade von ihm. Glaubt also an Allah und seine Gesandten. Und sagt nicht: Drei! Lasst ab davon, es ist besser für euch. Allah ist nur ein Einiger Gott. Fern ist es von seiner Heiligkeit, dass er einen Sohn haben soll. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist, und Allah allein genügt als Beschützer.«
    So stand es in der vierten Sure, im Vers 171, Uthman wusste es ganz genau. Der Jesus des Koran war also der Messias und ein großer Prophet. Er war es, der am Jüngsten Tag die Verstorbenen richten würde. Ein Mensch, kein göttliches Wesen, aber beauftragt von Gott. Gedenket der Zeit, da Jesus, Sohn der Maria, sprach: O ihr Kinder Israels, ich bin Allahs Gesandter an euch, Erfüller dessen,

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