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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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ruderte schnell vom Ufer fort. Draußen erwarteten ihn schon die anderen Boote mit flatternden Segeln.
    Die Gefährten wendeten ihre Pferde und trabten an.
    »So verfolgt uns Barnabas bis an den äußersten Rand dieser großen Insel«, sinnierte Jesus.
    »Natürlich, das wusste ich«, gestand Henri. »Joshua hat mich darauf vorbereitet, bevor er nach Karpasia ritt. Barnabas hat ja in St. Andreas gepredigt. Es war die erste Missionierung von Heiden.«
    »Hoffentlich erleben wir keine böse Überraschung!«, murmelte Madeleine.
     
     
    »Siehe! Nun rollen die Räder des ewigen Gottes! Von seinem Wagen, von Engeln getragen, lässt er den Donner erschallen! Der Galiläer zermalmt deine Herde und überlässt sie den Wölfen der Steppe! Doch das Volk der armen Judenchristen erstarkt und erfüllt die Welt!«
    Henri lauschte diesen Worten des Barnabas. Bevor sie das Kloster St. Andreas erreichten, hatten sie in Agia Trias Rast gemacht. Ein Einsiedler, der in den Ruinen einer Kirche hauste, empfing sie mit diesen Worten. Er schien zu wissen, wohin sie ritten. Das war allerdings kaum ein Kunststück, denn die Welt war hier nach wenigen Meilen zu Ende beim Andreaskloster am Kap Apostolos Andrea.
    Die Worte des Barnabas, die dieser bei seiner Mission auf Karpasia gesprochen hatte, waren eingemeißelt in einen Stein, den der Eremit ihnen zeigte. Der Stein wuchs aus verfilztem Heidekraut. Man erkannte die Schrift deutlich, sie war nur von Flechten überwuchert, die man abkratzen konnte.
    Die Gefährten erfrischten sich an einer Zisterne. Ein schöner Rundblick entschädigte für die Anstrengung des Ritts. Hier oben im Nordosten der Insel war alles urwüchsig, still und gewaltig. Ein leiser Wind sprach zur Landschaft, und die Landschaft antwortete mit einem Duft, der die Sinne betörte. Die Reisenden konnten sich nur schwer von dem Zauber dieses Ortes lösen.
    Östlich von Agia Trias lag der kleine Ort Rizokârpaso. Auch er lag in Trümmern, aber eine unbeschädigte Kirche gab es hier. Die Reisenden nutzten den Aufenthalt, um zu beten. Jetzt, in der vorösterlichen Zeit, gedachten sie auch des heiligen Andreas.
    Die Kirche, in der sie beteten, verfügte über eine Reliquie des Andreas. Hier hatte Agios Philon, der Bischof von Karpasia, einst gepredigt. Henri gedachte des Andreas, des Bruders von Simon Petrus, dem Sohn des Jonas. Er hatte in Kafarnaum am See Genezareth als Fischer gelebt. Mit Petrus gehörte er zu Jesu ersten Jüngern. Er verkündete das Evangelium, wanderte in das Land der Khasaren aus und später nach Griechenland, wo sein Freund Barnabas predigte. In Patras, einer Hochburg der Heiden, richtete man ihn an einem x-förmigen Kreuz hin.
    Der heilige Andreas war wie Barnabas einer der geheimnisumwittertsten Jünger Christi gewesen. Man sagte von ihm, er habe zusammen mit Barnabas Dinge geschaut, die niemand aussprechen durfte. Vielleicht gab es auch einfach keine Worte dafür.
    Sie ritten weiter. Jeder war in Gedanken versunken.
    An einer Stelle, dort, wo sich eine Hügelkette nach Nordosten zog, sahen sie das Meer zu drei Seiten. Es schimmerte blau und grün. Die Sonne stand hoch am Himmel. Der Boden, über den sie ritten, leuchtete von rotem Sand und schwarzen Felsadern.
    Und dann sahen sie in der Ferne, im klaren Licht der Küste, das Andreaskloster.
    Sean stieß einen Freudenschrei aus. Die anderen waren erleichtert und kosteten einen Moment lang den schönen Anblick aus. Henri erinnerte sich an die Legende, die sich um dieses Kloster rankte. Auf einem Schiff, auf dem der Apostel Andreas nach Zypern unterwegs gewesen war, war das Wasser zur Neige gegangen. Der Kapitän erblindete vor Durst. Da führte der Apostel die Mannschaft am Kap von Karpasia zu einer Quelle. Das Wasser stillte nicht nur den Durst aller, es heilte auch den Kapitän, der fortan wieder sehen konnte.
    Eine kleine, quadratische Kapelle war dem Kloster vorgelagert. Die Freunde sahen, dass sich eine Gestalt auf einem Esel von dort auf das Kloster zu bewegte. Und als sie näher ritten, erkannten sie, dass der Reiter niemand anderes war als Joshua ben Shimon.
    Sean rief laut auf vor Freude. Sie gaben ihren Tieren die Hacken und jagten den Hügel hinunter. Wenig später waren sie bei ihrem alten Gefährten Joshua.
    Sie fielen sich unter Freudentränen um den Hals und klopften sich auf den Rücken. Sean war ganz außer sich. Wie schön war es, wieder vereint zu sein!
    Joshua wirkte munter. Nachdem Henri ihn mit Jesus de Borgus bekannt gemacht hatte,

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