Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
der Nähe der anderen entstehen, gehen beide Arten von Himmelskörpern ihren Geschäften nach, ohne einander in die Quere zu kommen. Diese Einstellung geht so weit, dass es zwei Sorten Forscher gibt: die einen, die sich um Sterne kümmern (Astronomen), und andere, die mit Planeten zu tun haben (zum Beispiel Geologen oder allgemeiner Planetologen). Von den Astronomen kam in den 1950er und 1960er Jahren mehrfach der Vorschlag, es könnte Dinge geben, die, was ihr Gewicht angeht, zwischen Sternen und Planeten stehen. Genau wie Sterne erzeugen sie Energie durch Fusion von Wasserstoffatomen – aber nur ein bisschen, und auch nur, wenn sie ganz jung sind. Genau wie Planeten werden sie mit zunehmendem Alter schwächer und schwächer. Zuerst nannte man diese hypothetischen Zwischenobjekte «Schwarze Zwerge», ab den 1970ern bürgerte sich dann die Bezeichnung «Braune Zwerge» ein. «Zwerg», weil sie im Vergleich zu Sternen klein sind, und «braun», weil sie sehr lichtschwach sind – und weil die anderen Farben schon vergeben waren. Unsere Sonne zum Beispiel nennen Astronomen seltsamerweise einen «Gelben Zwerg».
Jahrzehntelang waren Braune Zwerge reine Theorie. Theoretische Objekte sind schön und gut, aber ausdenken kann man sich viel. Wirklich relevant wurden sie erst, als man sie nach langem erfolglosen Suchen am Himmel fand. Seit 1995 sind Hunderte Braune Zwerge identifiziert worden. Es gibt offenbar auch welche, die so klein sind, dass man sie mit Riesenplaneten verwechseln könnte – sie sind nur etwa zehnmal so schwer wie Jupiter. Im Unterschied zu Jupiter fliegen diese Objekte, die man seit ein paar Jahren manchmal «Planemos» nennt (kurz für «planetary-mass objects», also Objekte mit planetenähnlichen Massen), jedoch frei durchs All und umkreisen nicht etwa einen Stern. Sind das jetzt Planeten? Oder Sterne? Die Grenze zwischen den beiden Klassen ist endgültig eingerissen.
Ein Problem, das Astronomen mit Braunen Zwergen haben, ist ihre Entstehung. Wie sich herausstellte, ist es gar nicht so einfach zu erklären, wie es so etwas wie einen Braunen Zwerg geben kann. Zum einen könnte es sein, dass Braune Zwerge wie Sterne entstehen, aber aus irgendeinem Grund nicht genug Masse mitbekommen. Sie werden nicht groß genug, um die Kernfusion richtig in Gang zu bringen. Wenn ein Stern entsteht, sammelt er über ein paar Millionen Jahre Material aus seiner näheren Umgebung zusammen; Material, das wegen der Schwerkraft auf den heranwachsenden Stern herunterregnet. Diesen Prozess muss man aufhalten, um einen Braunen Zwerg heranzuzüchten.
Ideen gibt es dazu einige, und wahrscheinlich funktionieren auch manche. Unklar ist, welche davon in der Natur tatsächlich im Einsatz sind und welche zwar gut klingen, aber letztlich keine Rolle spielen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das kleine Ding in einem sehr frühen Stadium seiner Entstehung einen Fußtritt verabreicht bekommt und in eine Gegend geschossen wird, wo sich kein neues Baumaterial findet. Nun gibt es zwar keine Füße am Nachthimmel, aber immerhin die Schwerkraft. Sterne bilden sich meist nicht allein, sondern in Gruppen, die sich während der Entstehung konfus durcheinanderbewegen. Begegnen sich in so einer dichten Ansammlung zwei Objekte, dann kommt es vor, dass das kleinere durch die Schwerkraft des größeren beschleunigt und aus der Gruppe hinausbefördert wird.
Dieser Vorgang findet im Weltall ziemlich sicher statt, aber er hat ein paar ernsthafte Schwierigkeiten mit den Fakten, das heißt mit den Details, die Astronomen mit Hilfe von großen Teleskopen inzwischen herausgefunden haben. Einer der wesentlichen Punkte: Braune Zwerge entstehen nicht nur in der Nähe von Sternhaufen, sondern offenbar auch ganz auf sich gestellt. Es gibt ein paar Funde von jungen Braunen Zwergen, die sich weit weg von allen größeren Sternansammlungen aufhalten. Bei solchen Objekten funktioniert der Fußtrittmechanismus nicht, weil es nichts gibt, das den Tritt verabreichen könnte. Außerdem fand man mehrere Paare von Braunen Zwergen – zwei Braune Zwerge, die sich in großem Abstand umkreisen, so wie die Erde die Sonne umkreist. Wenn wirklich jeder Braune Zwerg am Anfang seiner Existenz mit einem größeren Stern praktisch kollidiert, sollte man erwarten, dass solche Paare auseinandergerissen werden.
Andere Forscher brauchen keine Fußtritte, sie rühren in ihren Modellen das Gas kräftig um, aus dem sich die Sterne bilden. Die so entstehende Turbulenz ist eine
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