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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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entfernten Galaxien röter auf der Erde ankommt, als es eigentlich sein sollte. Die beste Erklärung für diese Rotverschiebung ist der Dopplereffekt, den jeder kennt, weil er nicht nur bei Licht, sondern auch bei allen anderen Wellen vorkommt, zum Beispiel bei dem Geräusch, das die Sirene eines Feuerwehrautos von sich gibt. Fährt das Ding an einem vorbei, dann klingt das so, als würde jemand die Tonhöhe der Sirene runterdrehen – die Frequenz der Sirenenwellen verringert sich, oder andersherum: Ihre Wellenlänge vergrößert sich. Bei Licht gibt es das auch, und weil rotes Licht langwelliger ist als blaues, wird der Dopplereffekt das Licht von Galaxien röten, wenn sie sich von uns wegbewegen. Das ist die Interpretation der Rotverschiebung des Lichts der Galaxien – sie fliegen von uns weg, und zwar umso schneller, je weiter sie von uns entfernt sind.
    Daraus folgt übrigens nicht, wie man meinen könnte, dass wir uns im Zentrum des ganzen Expandierens befinden. An jeder anderen Stelle sähe es ganz genauso aus. Man denkt am besten an einen Hefeteig mit Rosinen, der über Nacht zum «Gehen» stehengelassen wird. Wir sitzen in einer der Rosinen, und weil sich der gesamte Teig gleichmäßig ausdehnt, bewegen sich alle anderen Rosinen von uns weg. Je weiter eine Rosine von uns entfernt ist, desto mehr Lichtjahre expandierender Hefeteig liegen zwischen uns und der anderen Rosine, und desto schneller bewegt sie sich von uns weg.
    Man darf sich das Ganze auch nicht vorstellen wie eine Explosion, wo alle möglichen Teile von einem Zentrum wegfliegen. «Wegfliegen» ist überhaupt ein irreführendes Wort, weil man dabei sofort vermutet, dass sich ein Ding schnell durch ein ruhendes Medium bewegt. Dabei ist es das Medium, das sich ausdehnt – die Räume zwischen den Galaxien. Genau wie beim Hefeteig, wo die Rosinen sich auch nur deshalb bewegen, weil sich der Teig zwischen ihnen ausdehnt. Der Hefeteig ist die perfekte Metapher für das Universum, sieht man davon ab, dass bisher nicht bekannt ist, ob das Universum am Ende der Nacht in den Ofen geschoben und danach verzehrt wird, aber was wissen wir schon.
    Das Universum dehnt sich also aus, so viel ist klar. Das wirft zwei Fragen auf, die man sich im Leben ziemlich oft stellt: Wer hat damit angefangen? Und wie soll das nur weitergehen? Der Anfang ist ein eigenes Kapitel, aber es lässt sich zumindest feststellen, dass das Universum sehr klein angefangen hat. Wenn sich etwas ausdehnt, dann muss es in der Vergangenheit viel kleiner gewesen sein. Am Zeitpunkt null oder sehr kurz danach muss sich das Weltall in einem extrem dichten und energiereichen Zustand befunden haben, den wir heute normalerweise «Urknall» («Big Bang») nennen. So viel zum Anfang.
    Hier geht es jedoch um die Zukunft des Universums. Bis in die 1990er Jahre hinein gab es vor allem zwei Möglichkeiten. Entweder die Expansion geht ewig so weiter wie heute. Oder aber sie wird allmählich langsamer, hält irgendwann an und kehrt sich um, das heißt, der ganze Hefeteig fällt wieder in sich zusammen. Das letzte Szenario, bei dem am Ende das Gegenteil des Urknalls steht, ein «Big Crunch», klingt unangenehm, weil man es nicht so gern hat, wenn die ganzen anderen Galaxien, die jetzt so schön weit weg sind, in den Wintergarten fallen und die Blumen kaputt machen. Die Möglichkeit für einen Big Crunch besteht, weil die Expansion einen natürlichen Gegenspieler hat, nämlich die Schwerkraft. Es gibt schließlich Materie im Universum, dunkle, helle, alles Mögliche, die sich gegenseitig anzieht. Die Rosinen wollen sich eigentlich nicht voneinander wegbewegen. Ob das Universum gleichmäßig weiterexpandiert oder ob die Expansion sich verlangsamt und es irgendwann kollabiert, hängt daher vor allem davon ab, wie viel Materie es im All gibt.
    So weit der Stand der Forschung in den 1990ern. Es ging in erster Linie darum zu entscheiden, ob die Expansion so weitergeht wie bisher oder ob sie sich umkehrt. Die allgemeine Praxis bei solchen Problemen ist, einfach nachzusehen, wie es sich verhält, wobei «einfach» entweder wirklich einfach oder entsetzlich kompliziert sein kann, bei Astronomen meistens Letzteres. Wie findet man heraus, ob etwas gleich schnell bleibt oder langsamer wird? Man misst seine Geschwindigkeit zu verschiedenen Zeiten. Im Falle des Universums hat man den praktischen Vorteil, dass das Licht von weit entfernten Galaxien sehr lange braucht, bis es bei uns ankommt. Die nächsten Galaxien sind

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