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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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überhaupt zu Wissen über die Welt gelangen kann und, wenn ja, wie das funktionieren soll. Nebenbei bemerkt, selbst wenn wir so einen Konsens hätten, wäre nicht unmittelbar klar, ob er auch stimmt. Die Tatsache, dass der Begriff «Wissen» selbst Unwissen ist, bringt zwar das gesamte Konzept eines solchen Lexikons ins Wanken. Aber es hilft ja nichts.
    Es geht damit los, dass wir nicht wirklich wissen, was dieses Wissen sein soll, von dem die ganze Zeit die Rede ist. Die Mindestanforderung an Wissen, so liest man in praktisch jedem Einführungstext zu diesem Thema, besteht in einem «begründeten wahren Glauben» (oder kurz JTB für «justified true belief»). Alle Teile in dieser Definition sind erklärungsbedürftig. Fangen wir mit dem Wort «wahr» an: Das Kriterium sagt, dass wir davon sprechen können, etwas zu wissen, wenn dieses Etwas tatsächlich wahr ist. Die Aussage «Der Mond besteht aus Altmetall» zum Beispiel würde in dieser Sichtweise nicht als Wissen durchgehen, weil sie unwahr ist.
    Aber schon dieses Wahrheitskriterium funktioniert eigentlich nicht. Das Kriterium setzt voraus, dass wir schon wissen, dass der Mond eben nicht aus Altmetall besteht. Man setzt also voraus, dass wir über den Wahrheitsgehalt der Aussage bereits Bescheid wissen; aber um dahin zu kommen, bräuchte man erst mal eine Ahnung, was dieses «Wissen» eigentlich bedeutet – ein klassischer Zirkelschluss. Alternativ könnte man Wissen auch so definieren: Wenn ich glaube, dass der Mond aus Altmetall besteht, und außerdem glaube, dies begründen zu können, dann bin ich befugt zu sagen, dass ich über die Beschaffenheit des Mondes Bescheid weiß – egal, ob der Mond jetzt aus Altmetall besteht oder doch aus Magerquark.
    Diese zweite Definition kommt unter anderem in den Naturwissenschaften (und fast überall in diesem Buch) zum Einsatz. Nur ein Test: «Ptolemäus wusste, dass sich die Sonne um die Erde dreht» – klingt das seltsam oder nicht? Ganz eindeutig verträgt es sich mit der zweiten Definition von Wissen, aber nicht mit der Wahrheitsbedingung, denn, davon sind wir heute überzeugt, Ptolemäus’ Weltbild war falsch. Was vermutlich auch für die Theorien gilt, die Naturwissenschaftler heute über die Welt haben – warum sollten ausgerechnet wir die Generation sein, die alles richtig macht? Bisher hat sich nach einiger Zeit noch jede naturwissenschaftliche Theorie als falsch herausgestellt. Man könnte einwenden, die aktuellen Theorien seien doch zumindest weniger falsch als die der Vergangenheit, aber um das beurteilen zu können, müsste man schon wissen, was richtig ist. Oft genug war die Naturwissenschaft auch einfach ein paar Jahrhunderte auf dem völlig falschen Dampfer und nicht wenigstens in der richtigen Richtung unterwegs. Setzt man wirklich «Wahrheit» als Kriterium an, dann bleibt von dem, was wir heute so als Wissen bezeichnen, sehr wenig übrig – was genau, dazu später mehr.
    Naturwissenschaftler haben deshalb auch gar nicht den Anspruch, Gewissheiten zu liefern, sondern «nur» die bestmögliche Erklärung für die Geschehnisse da draußen, was auch ein Grund ist, warum Naturwissenschaften so viel schönes Unwissen liefern, immer dann nämlich, wenn die bestmögliche Erklärung sich als unzureichend herausstellt und man hektisch nach einer neuen sucht. Das kollidiert manchmal mit den Wünschen der Öffentlichkeit, zum Beispiel wenn man endlich eine definitive Antwort zum Weltklima haben will. Dann sieht man den Naturwissenschaftler an, und er sagt so was wie «wahrscheinlich» und «vermutlich», nicht gerade die Terminologie, die man gern hätte.
    Immer, wenn von Wissen die Rede ist, taucht das Wort «begründen» auf. Begründungen scheinen eine wesentliche Voraussetzung für Wissen zu sein, es reicht nicht, einfach nur blind etwas zu raten. Wenn ich heute einen Lottoschein abgebe, auf dem, wie sich in einer Woche herausstellt, die richtigen Zahlen stehen, dann wäre es trotzdem übertrieben zu behaupten, ich hätte die Lottozahlen beim Ausfüllen des Lottoscheins gewusst. Die Annahme muss auf irgendeine Art plausibel begründbar sein, erst dann verwandelt sie sich von Glauben in Wissen.
    Was als eine solche Begründung durchgeht, ist der nächste schwierige Punkt. Wenn ich «Die Nachbarn haben einen neuen Hund» behaupte und einen kritischen Gesprächspartner habe, dann wird er nachhaken: «Woher weißt du das?» Im Alltagsgebrauch reicht es häufig, wenn man seine Behauptungen durch eine Auskunft

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