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frühen
Mythen sind »Aufklärung« in dem Sinne, dass auch sie »Erklärungen« der Natur und der Weltliefern und diese damit zum Objekt gemacht haben. Andererseits bleibt die Aufklärung dadurch Mythologie, dass sie den Menschen
in neue Formen des schicksalhaften Zwangs versetzt, indem sie die Vernunft zu einem neuen Herrschaftsinstrument macht. »Wie
die Mythen schon Aufklärung vollziehen«, so heißt es in dem Buch, »so verstrickt Aufklärung mit jedem ihrer Schritte sich
tiefer in Mythologie.«
Die gesamte neuzeitliche Naturwissenschaft, ja schon die Bemühungen der frühantiken Dichter und Denker sind für Horkheimer
und Adorno Teil eines Prozesses, bei dem das Begreifen der Welt immer einhergeht mit einer zunehmend »nivellierenden Herrschaft
des Abstrakten« und einem Verlust von Humanität. Alles wird auf Berechenbarkeit hin reduziert. Was Max Weber die »Entzauberung
der Welt« nannte, wird hier durchweg negativ gedeutet und als »Verdinglichung« bezeichnet. Alles wird zum Ding unter der Herrschaft
einer berechnenden Vernunft. Höhepunkt dieser Entwicklung ist die moderne kapitalistische Warengesellschaft, in der Rationalität
nur noch die Funktion hat, möglichst effektive Mittel zum Zweck der Produktverwertung und Profiterwirtschaftung zu finden.
Dem entspricht eine Wissenschaft, die nur noch auf Faktenwissen reduziert ist.
Die Vernunft als Zweckrationalität, d. h. als Kalkül, Mittel für vorgegebene Zwecke zu finden, wird am Ende zum Diener einer die gesamte Existenz des Mensch manipulierenden,
»verwalteten Welt«. Das ideologiekritische Fazit der beiden Autoren lautet: Das Wesen der Vernunft, so wie sie sich in der
Geschichte entwickelt hat, ist »Herrschaft«, und die sogenannte »Aufklärung« ist deshalb »totalitär«.
In den beiden Essays »Odysseus oder Mythos und Aufklärung« und »Juliette oder Aufklärung und Moral«, die als »Exkurse« zum
ersten Essay bezeichnet werden, soll an Beispielen der Literatur und Philosophie die These der Autoren verdeutlicht werden,
dass sowohl Aufklärung und Mythos als auch Vernunft und Natur sich immer gegenseitig durchdringen.
So hat Homers frühgriechisches Epos
Odyssee
zwar mythologischeBegebenheiten zum Thema, aber der mythologische Stoff wird auf eine rationale Weise verarbeitet. Die Hauptfigur Odysseus nämlich
wird zum Sinnbild des Menschen, der seine Identität in der Abwehr irrationaler Naturkräfte behauptet. Die Irrfahrten und Abenteuer
sind in dieser Interpretation Verlockungen, mit denen Odysseus in den Bann der Naturmagie gezogen werden soll. Indem er ihnen
widersteht, bildet er ein Selbstbewusstsein aus, er beginnt, sich als eigenständiges Subjekt zu verstehen, das der Natur gegenübersteht.
Horkheimer und Adorno interpretieren Odysseus mit den begrifflichen Mitteln, die Hegel 130 Jahre zuvor in seiner
Phänomenologie des Geistes
herausgearbeitet hatte: als Beispiel dafür, wie der menschliche Geist im Verlauf der Kultur- und Geistesgeschichte sich selbst
verstehen lernt.
Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts wiederum, die sich die Verwirklichung der Vernunft auf die Fahnen geschrieben hatte, hat mit de Sade einen Autor
hervorgebracht, der die natürliche Triebhaftigkeit verherrlicht. Wie später bei Nietzsche sehen Horkheimer und Adorno darin
eine Reaktion auf das abstrakte Moralgesetz, wie es in der Aufklärung vor allem von Kant aufgestellt wurde. Kants sogenannter
»Kategorischer Imperativ« – »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines
Gesetz werde« – sagt dem Menschen nicht, was er konkret tun soll, sondern gibt ihm lediglich einen abstrakten Maßstab zur
moralischen Beurteilung an die Hand. Die Welt der Sinnlichkeit und Natur hat sich in dieser Moralphilosophie ganz unter die
Herrschaft des Zuchtmeisters Vernunft begeben. Bei de Sade nun, so die Interpretation Horkheimers und Adornos, befreit sich
die Sinnlichkeit von der Knute der Vernunft und ergreift selbst die Peitsche. Nun wird der Spieß umgedreht: Moral ist nichts
anderes mehr als Dienst an den natürlichen Trieben. Sie geht in der Natur auf.
Die Manipulationsinstrumente einer verplanten Welt zeigen sich in der modernen Welt besonders im Bereich der Medien und der
Kunst. Wir sprechen heute ganz selbstverständlich von »Musik- oder Unterhaltungsindustrie« und befinden uns damit auf den
Spuren der
Dialektik der Aufklärung.
Als Horkheimer und
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