Das neue Philosophenportal
Erziehungsprinzipien der Selbstentfaltung der natürlichen Kräfte und der ganzheitlichen
Erfahrung haben aber auch so unterschiedliche Denker wie Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie, oder John Dewey,
den wichtigsten Erziehungstheoretiker des amerikanischen Pragmatismus, beeinflusst. Rousseaus Geist ist in allen pädagogischen
Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts spürbar und lebt auch in der Zivilisationskritik des zeitgenössischen ökologischen Denkens fort.
Rousseaus
Emile
ist das Werk eines philosophischen Restaurators: Hinter den Prägungen der Kultur, den sozialen Schranken und den gesellschaftlichen
Konventionen hat er das Bild des Naturmenschenfreigelegt, das bis heute in frischen und kräftigen Farben leuchtet. Für viele ist es das Bild des authentischen Menschen
geblieben.
Ausgabe:
Jean-Jacques Rousseau: Emil oder die Erziehung. In neuer deutscher Fassung besorgt von Ludwig Schmitts. Paderborn: Schöningh
1971 (auch UTB).
Hindernislauf im Erkenntnisparcours
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes (1807)
Unter den Großen in der Geschichte des Fußballs gibt es die technisch hochbegabten Ballkünstler, die, wie man so schön sagt,
ihre Gegner »schwindlig spielen« können. Sie schlagen Haken wie Hasen, jonglieren den Ball von einem Fuß zum andern, lassen
ihn kreisen und verschwinden, täuschen Bewegungen an und gehen schließlich an ihrem Gegenspieler vorbei wie an einem Laternenpfahl.
Manche Zuschauer schwören darauf, dass erst diese Magie der Ballbehandlung »Fußball« genannt zu werden verdient. Doch es gibt
auch diejenigen, die diesem Balljonglieren misstrauen und den fehlenden »Drang zum Tor« sowie die mangelnde Effizienz solcher
Spieler beklagen. Andere betrachten die Szene mit offenem Mund und fragen sich zuweilen: Wo ist eigentlich der Ball?
Auch unter den Großen der Philosophiegeschichte gibt es solche Ballkünstler. Vielleicht der bekannteste ist Georg Wilhelm
Friedrich Hegel, der mit seinen Schriften nicht nur die Zeitgenossen, sondern viele Generationen von Lesern schwindlig geschrieben
hat. Hegels Art, mit einem ganzen Arsenal neuer und ungewöhnlicher Begriffe vor das Publikum zu treten, mit diesen auf eine
unerschöpfliche und souveräne Art zu jonglieren und am Ende das »absolute Wissen« aus dem Hut zu zaubern, lässt den unvorbereiteten
Leser völlig verblüfft zurück. Hegel hat auch unter Philosophen glühende Anhänger, die in seinen Schriften den Gipfel der
europäischen Philosophie sehen. Andere begegnen seiner schwierigen Sprache mit großem Misstrauen, und der unbefangene Leser
sieht sich immer wieder vor die Frage gestellt: Worüber redet Hegel hier eigentlich?
Von allen Werken Hegels hat die
Phänomenologie des Geistes
, sein erster und bis heute berühmtester Systementwurf, die Leser am meisten fasziniert. Hegel ist der letzte große Vertreter
des philosophischen Idealismus. Er glaubt, dass eine geistige Substanz, die Vernunft nämlich, den Kern der Wirklichkeit ausmacht.
Die
Phänomenologie
beschreibt den verschlungenen Weg, den die Vernunft zurücklegt, um in ihrer wahren Gestalt in Erscheinung zu treten. Als »Weltgeist«
offenbart sie sich schrittweise in den Erkenntnisbemühungen und Kulturleistungen des Menschen. Hegels
Phänomenologie des Geistes
schildert den Weg der Selbstoffenbarung der Vernunft als einen Hindernislauf im Erkenntnisparcours, an dessen Ziel der »sich
als Geist wissende Geist« oder, wie Hegel auch sagt, das »absolute Wissen« steht. Denn es ist der Mensch, der mit seinen Bemühungen
um Welterkenntnis und Wissenschaft diesen Geist hervorbringt.
Einen mühsamen und hindernisreichen Weg musste auch Hegel selbst zurücklegen, bis er zu dem geworden war, als den ihn die
geistige Welt am Ende seines Lebens wahrnahm: als den einflussreichsten Philosophen seiner Zeit. Hegel startete langsam und
stolpernd in seine Karriere als Philosoph, doch er lief länger und ausdauernder und hatte am Ende alle seine Zeitgenossen
überholt. Dass er einmal eine Geistesgröße werden und ein ganzes Zeitalter prägen würde, hätten ihm in jungen Jahren allerdings
nur wenige vorausgesagt.
Der 1770 geborene Sohn eines Stuttgarter Beamten galt zwar während seiner Gymnasialzeit als Musterschüler, doch während seiner
Studienzeit stand er in dem Ruf, ein geistig etwas langsamer und schwerfälliger Zeitgenosse zu sein. Der Student Hegel erhielt
von seinen
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