Das neue Philosophenportal
eines Urprinzips,
das am Grund des menschlichen Bewusstseins liegt. Fichtes »Ich« kennt keine Erfahrungsgrenze und gestaltet die Wirklichkeit – Fichte benutzt dafür den Begriff »setzen«- in völliger Freiheit. Außenwelt und Natur sind nichts anderes als Setzungen des
»Ich«. Die Linie zwischen Erscheinung und Ding an sich gibt es damit nicht mehr.
Dass es für die erkenntnisaktive Vernunft keine Schranken gibt,glaubten auch die jungen Tübinger Philosophen. Doch Hölderlin, Schelling und Hegel sahen in dem »Ich« nicht das letzte Wirklichkeitsprinzip.
Für sie stand noch etwas Objektiveres dahinter. Hölderlin nannte es in einem Aufsatz von 1794 / 95 das »absolute Sein«. Das »Absolute« wurde die Bezeichnung für die neue Weltvernunft. In einem Text von 1796, dem sogenannten
»Ältesten Systemfragment des Deutschen Idealismus«, an dem möglicherweise alle drei, Hölderlin, Hegel und Schelling, mitgeschrieben
haben, wird der Anspruch erhoben, eine »Mythologie der Vernunft« zu formulieren. Das neue philosophische Programm, dem auch
Hegel folgte, war damit formuliert: Die Philosophie sollte über die wahre, vernünftige Gestalt der Welt in einer Theorie des
Absoluten aufklären.
Schelling, der bereits 1798 eine Professur in Jena erhielt, trat noch vor Hegel mit einer solchen Theorie des Absoluten hervor.
Das Absolute, das er auch das »Göttliche« oder »Geist« nannte, offenbarte sich für ihn in der Entwicklung der Natur und der
Kultur gleichermaßen. Alle Wirklichkeit ist für ihn »werdender Geist« und dem Menschen durch eine Art Intuition, durch eine
»intellektuelle Anschauung« zugänglich.
Hegel beobachtete die philosophischen Höhenflüge seines ehemaligen Kommilitonen zunächst aus den Niederungen einer subalternen
Hauslehrerexistenz. Nach seinem Studienabschluss 1793 war er zunächst im schweizerischen Bern, dann, von 1797 bis 1800, in
Frankfurt angestellt, wo auch Hölderlin, der inzwischen als Dichter hervorgetreten war, als Hauslehrer arbeitete. Erst 1801
trat Hegel auf Vermittlung Schellings seine erste Anstellung als Universitätsdozent in Jena an. Nun konnte er daran denken,
seine eigene Philosophie systematisch auszuarbeiten.
Der Jenaer Hegel war weit entfernt von dem etablierten preußischen Staatsphilosophen, als den man ihn im Alter karikierte.
Er war ein liberaler Intellektueller knapp über dreißig, der den Umbrüchen seiner Zeit offen gegenüberstand und den Ehrgeiz
hatte, eine neue Vernunftphilosophie zu begründen. Goethe, der für die Kulturpolitik im Fürstentum Sachsen-Weimar zuständig
war, förderte den jungen Gelehrten.
Auch Schelling und Hegel pflegten zunächst einen engen persönlichen Kontakt und gaben gemeinsam eine philosophische Zeitschrift,
das
Kritische Journal für Philosophie
, heraus. Mit seiner 1801 erschienenen Schrift
Die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems
hatte Hegel jedoch begonnen, sich philosophisch von Schelling zu lösen. Wenn ihm auch Schellings Theorie des Absoluten näher
stand als Fichtes Prinzip des »Ich«, so wandte er sich doch gegen Schellings These, dieses Absolute sei sozusagen mit einem
Schlag, durch eine »intellektuelle Anschauung« erkennbar.
Der »Geist«, wie Hegel das Absolute in Anlehnung an Schelling und an den »Geist der Gesetze« des französischen Aufklärungsphilosophen
Montesquieu inzwischen nannte, war für ihn kein Licht, das am Himmel hängt, sondern eine Spur, die sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte
in einer immer klareren Form abzeichnet. Sie trat für den Menschen nicht plötzlich – in einem Akt der Erleuchtung – hervor,
sondern musste mit Mitteln der begrifflichen Analyse herausgearbeitet werden. Genau dies war für Hegel Aufgabe des Philosophen:
die Formen zu beschreiben, in denen der Geist in »Erscheinung« (griech. »phainomenon«) tritt. Aus dem Programm einer »Mythologie
der Vernunft« war das Programm einer »Phänomenologie des Geistes« geworden.
1805 wurde Hegel auf Veranlassung Goethes der Titel »außerplanmäßiger Professor« verliehen, der ihm aber keine sicheren Einkünfte
verschaffte, sondern ihn weiterhin von Hörergebühren abhängig machte. Im selben Jahr erwähnt er den Plan zu einer Schrift,
die zunächst nichts anderes als eine »Einleitung« in sein System sein sollte, die sich aber zu einem umfänglichen Manuskript
auswuchs.
Hegel befand sich in mehrerer Hinsicht in einer schwierigen
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