Das neue Philosophenportal
Gerade im Christentum scheint ihm der menschliche Charakter
jeder Religion besonders deutlich zum Ausdruck zu kommen.
Am Beispiel des Christentums wollte Feuerbach den wahren Kern der Religion aufdecken. In diesem Sinn verstand er sich als
Aufklärer und als Vollender der Reformation Luthers.
Das Wesen des Christentums
zeugt von seiner therapeutischen Absicht, den Menschen von jenseitigen Projektionen und Illusionen zu befreien und die Religion
dort zu verankern, wo sie seiner Meinung nach hingehört: in das Herz und das Gemüt des Menschen. Nicht ein abstrakter Gott,
sondern der konkrete Mensch aus Fleisch und Blut steht im Mittelpunkt der Religion. Der Mensch sagt »Gott«, so Feuerbach,
doch in Wahrheit redet er über sich selbst.
Mit dieser These gehört das Buch nicht nur zu den Klassikern der Religionskritik, sondern auch zu den bahnbrechenden Werken
der philosophischen Anthropologie. Es gehört zu jenen Pionierleistungen der Philosophiegeschichte, die dem Materiellen und
Sinnlichen gegenüber dem Geistigen und Abstrakten wieder zu ihrem Recht verhelfen und damit den »ganzen« Menschen ins Zentrum
der Betrachtung rücken. Feuerbach hat mit dem
Wesen des Christentums
den Satz des frühgriechischem Philosophen Pythagoras, »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«, mit neuem Inhalt gefüllt.
Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Religion hatte Feuerbachs Leben schon von früher Jugend an geprägt. Als vierterSohn des berühmten Rechtsgelehrten Paul Anselm Feuerbach wuchs der 1804 im bayerischen Landshut geborene Ludwig im Milieu
des gehobenen Bürgertums auf und entwickelte früh intellektuelle Interessen. So trat er auf dem Gymnasium in Ansbach gegenüber
seinen Mitschülern als Experte in Fragen der protestantischen Theologie auf, dem die Bibel als die höchste Autorität galt.
Schon damals war er, wie er später schrieb, davon überzeugt, dass man die »Glaubenswahrheiten« auf »Vernunftwahrheiten« zurückführen
könne. Feuerbach wollte, ganz dem Wunsch seines Vaters entsprechend, ein aufgeklärter evangelischer Pfarrer werden.
Sein 1823 in Heidelberg aufgenommenes Theologiestudium führte ihn dann endgültig in eine geistige Welt, in der Theologie und
Philosophie eine enge Verbindung eingegangen waren. Besonders in Deutschland hatte die von Schelling und Hegel geprägte Philosophie
des Deutschen Idealismus Impulse der protestantischen Theologie aufgenommen und wirkte ihrerseits wieder auf die Theologen
zurück. Hegels Auffassung, dass Philosophie und Theologie den gleichen Gegenstand haben und dass die Wirklichkeit eine von
der Vernunft durchdrungene, gesetzmäßige Ordnung darstellt, die in der christlichen Offenbarungsreligion in bildlicher Form
beschrieben und einer rationalen Erkenntnis durchaus zugänglich ist, war unter vielen damaligen Theologen verbreitet.
Eine solche von Hegel beeinflusste Theologie lernte der junge Feuerbach bei dem Heidelberger Professor Karl Daub kennen. Ganz
im Sinne Hegels lehrte Daub, dass sich alle biblischen Wunder und kirchlichen Dogmen rational begründen lassen. Feuerbach
begnügte sich aber bald nicht mehr mit der theologischen Kopie, sondern wollte das philosophische Original kennen lernen.
1824 ging er deshalb zu Hegel nach Berlin, wo er ganz von der Theologie zur Philosophie wechselte. Nun gerieten seine religiösen
Überzeugungen völlig ins Wanken. Für den jungen Feuerbach konnten die Inhalte des christlichen Glaubens vor der Vernunft nicht
mehr bestehen. Er blieb nur zwei Jahre im unmittelbaren Wirkungskreis Hegels, doch dessen Philosophie prägte fortan sein Denken.
Vom Berufsziel des Pfarrers nahm er Abschied.
Dabei war man sich unter Hegels Schülern durchaus uneinig darüber, welche Haltung zur Religion der Meister wirklich eingenommen
hatte: War sie nur eine unvollkommene Version der philosophischen Weltdeutung, oder behauptete sie ihre Wahrheit mit all ihren
Dogmen, Wundern und Glaubenssätzen gleichberechtigt neben der Philosophie?
Feuerbach verstand Hegels System als »Panlogismus«, als eine Weltanschauung, für die der »logos«, die Vernunft, die Einheit
der Wirklichkeit verbürgt. Denken und Sein waren für Hegel im Grunde eins. Die Gedanken der Menschen über Gott, also die religiöse
Weltdeutung, waren für ihn gleichbedeutend mit den Gedanken Gottes, die sich stufenweise in der Geschichte verwirklichen.
Aus dem Studium Hegels entwickelte Feuerbach also die Ablehnung eines Jenseits
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