Das neue Philosophenportal
Weg
ein existenzphilosophisches Gegenbuch zur
Phänomenologie
schrieb, das an die Stelle der Entwicklung eines Absoluten die Entwicklung der konkreten Lebensanschauung des Einzelnen, also
eine »Dialektik der Existenz«, setzte. Auch in der Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts, so in Jean-Paul Sartres
Das Sein und das Nichts
, werden Begriffe aus Hegels Dialektik wie »Ansichsein« und »Fürsichsein« weiter verwendet.
Vor allem aber der Marxismus wurde einer der wichtigsten Transporteure Hegel’schen Gedankenguts. Sein Begründer Karl Marx,
der große Analytiker des Kapitalismus, übernahm Hegels Idee einesFortschritts im Sinne einer dialektischen Fortentwicklung der Weltvernunft, deutete sie aber materialistisch: Für ihn waren
es die ökonomischen und gesellschaftlichen Kräfte, die die Menschheit nach vorne brachten.
Im 20. Jahrhundert bezogen sich vor allem unorthodoxe westliche Marxisten wie Georg Lukàcs, Ernst Bloch oder die Frankfurter Schule
um Theodor W. Adorno und Max Horkheimer immer wieder auf die
Phänomenologie
. Für Bloch war es ein Werk, »das im philosophischen Schrifttum nicht seinesgleichen hat«.
Hegels Begriff der »Wahrheit«, der immer die »Totalität«, das Ganze der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung, im
Blick hat, wurde aber auch von nicht-marxistischen Philosophen wie Hans-Georg Gadamer, dem Neubegründer der philosophischen
Hermeneutik, übernommen.
Obwohl kaum ein Philosoph heute noch daran glaubt, zu einem »absoluten Wissen« vordringen zu können, ist Hegels anhaltende
Wirkung nicht zufällig: Seine Leser erleben ein Denken, das nie stillsteht und sich nie mit dem zufriedengibt, was sich scheinbar
von selbst versteht. Die Wahrheit ist, wie Hegel formulierte, keine Münze, die man fertig einstreichen kann. Sie ist vielmehr,
so könnte man ergänzen, ein Ziel, das die menschliche Vernunft auf Trab hält.
Ausgabe:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Frankfurt/ Main: Suhrkamp 1986.
Warum Religion menschlich ist
Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums (1841)
In manchen Religionen ist jede Art der bildlichen Darstellung Gottes verboten. Dafür gibt es auch einige gute Gründe. Menschen
neigen nämlich dazu, die eigenen kulturellen Erfahrungen und Vorlieben zum Vorbild ihrer Gottesvorstellungen zu machen. So
ist die griechische Götterwelt eine Ansammlung von Charakteren, denen nichts Menschliches fremd ist und die sich von der Lebenswelt
der Hellenen lediglich durch ihre Macht und Unsterblichkeit unterscheiden. Auch die Christusdarstellungen der europäischen
Malerei sind häufig von heimischen Schönheitsidealen geprägt: Albrecht Dürers Christus, ein groß gewachsener, blondlockiger
Mann, trägt sogar Züge eines Selbstporträts.
Der Zusammenhang zwischen Menschenwelt und Götterbild war auch schon früh ein Thema der griechischen Philosophie: »Die Äthiopier
behaupten, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz, die Thraker, blauäugig und rothaarig«, stellte Xenophanes von Kolophon
bereits im 6. vorchristlichen Jahrhundert fest. Die Auseinandersetzung mit dem Anthropomorphismus der Religionen, also damit,
dass die Götter nach dem Bild der Menschen geformt werden, hat seitdem in der philosophischen Religionskritik eine lange Tradition.
Doch es dauerte bis zum 19. Jahrhundert, bis diese Kritik zu einer Theorie ausgearbeitet wurde, in der von jeder Art der Transzendenz und der jenseitigen
Welt Abschied genommen wird und die Götter endgültig auf ihre menschlichen Ursprünge zurückgeführt werden.
Mit seinem
Wesen des Christentums
gab Ludwig Feuerbach eine Erklärung dafür, warum Religion menschlich ist und warum nichtGott Schöpfer der Menschen, sondern die Menschen Schöpfer Gottes sind. Er glaubte, dass Gott, von Nahem betrachtet, uns immer
ähnlicher wird. Der ferne, jenseitige Gott hat in Wahrheit ein Menschengesicht. Gott, so Feuerbachs revolutionäre These, ist
nichts anderes als eine Projektion des Menschen.
Feuerbach will also die Religion vom Kopf auf die Füße stellen und dabei das ans Licht ziehen, was seiner Meinung nach der
verdeckte, aber wahre Inhalt der Religion ist: der Mensch. »Wir haben bewiesen«, so schreibt er im letzten Kapitel seines
Buches, »dass der Inhalt und Gegenstand der Religion ein durchaus menschlicher ist, bewiesen, dass das Geheimnis der Theologie
die Anthropologie, des göttlichen Wesens das menschliche Wesen ist.«
Weitere Kostenlose Bücher