Das neue Philosophenportal
Modeerscheinung weit hinaus. Sie enthalten mehr als eine historische Bestandsaufnahme
der westlichen Kultur. Spengler war nämlich der erste bedeutende westliche Geschichtsphilosoph, der in Europa nicht mehr den
Nabel der Weltgeschichte sah. Die westliche Kultur war für ihn eine Hochkultur neben anderen – eine in ihrer Dauer begrenzte
Episode im unendlichen Strom der Zeit.
Der Untergang des Abendlandes
wagt einen historischen Kulturenvergleich und erlaubt so einen Panoramablick auf die Weltgeschichte, der über den Tellerrand
der »westeuropäisch-amerikanischen Kultur«, wie Spengler sie nennt, hinausführt.
Einerseits ein globaler Denker, blieb Spengler andererseits ein einsamer und isolierter Mensch. Als Privatgelehrter lebte
und schrieb er zurückgezogen, von der akademischen Welt ebenso distanziert wie vom Medienbetrieb. Auf Fotos blickt dem Betrachter
ein verschlossenes und verbittertes Gesicht entgegen, das zu dem Pessimismus, den Spengler vertrat, gut zu passen scheint.
Spengler wurde 1880 geboren, zu Beginn der klassischen Moderne – eine Epoche, die er, im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen,
als flach und dekadent empfand.
Er war das Gegenteil einer Frohnatur: Er litt unter seinem geist- und kulturfernen Elternhaus, unter der Atmosphäre der intellektuellen
Mittelmäßigkeit, die ihm auf Schule und Universität begegnete, und unter dem Brotberuf des Gymnasiallehrers, den er zeitweise
ausüben musste. Als Sohn eines kleinen Postbeamten, der mehrmals versetzt wurde, verbrachte er seine Schulzeit in Blankenburg
im Harz, im westfälischen Soest und schließlich in Halle an der Saale. Der eher träumerische und wenig lebenspraktisch veranlagte
junge Spengler beschäftigte sich mit der pessimistischen Philosophie Schopenhauers und Nietzsches und wurde in seinen Fantasien
von den großen Gestalten der Geschichte angeregt: Napoleon faszinierte ihn ebenso wie die Königsdramen Shakespeares. Er schwelgte
in großdeutschen Visionen und vollendete mit siebzehn Jahren ein Drama über den Aztekenherrscher Montezuma.
Spenglers intellektuelle Interessen waren weit gespannt. Aus Nützlichkeitsgründen entschied er sich zunächst für ein Studium
der Mathematik und Naturwissenschaften, das er 1899 in Halle aufnahm und das ihn auch nach München und Berlin führte. Er tat
sich aber auch in der Geschichte, der Kunstgeschichte und der Philosophie um. Spengler schloss sich keiner Schule richtig
an und blieb sein Leben lang ein halber Autodidakt, der sich seinen eigenen Weg in der Bildungslandschaft suchte und in den
Natur- und Geisteswissenschaften gleichermaßen zu Hause war. Dies machte es ihm später möglich, immer wieder Vergleiche zwischen
beiden Bereichen zu ziehen.
In dem frühgriechischen Philosophen Heraklit, über den er seine Dissertation schrieb, die er gleichzeitig als Staatsarbeit
für denLehrdienst an höheren Schulen einreichte, begegnete er, wie er sich selbst ausdrückte, dem »vielseitigsten und umfassendsten
Geist der Griechen«, einem Philosophen, der die Wirklichkeit als einen Prozess sich wiederholender Kreisläufe begriff. Auch
die Haltung des einsamen, weltverachtenden Denkers, die er in Heraklit sah, zog ihn an.
Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, ging Spengler zunächst als Gymnasiallehrer nach Hamburg. Als ihm 1910 durch den
Tod der Mutter eine kleine Erbschaft zufiel, konnte er die ungeliebte Lehrertätigkeit aufgeben. Das Jahr 1911 markiert die
große Zäsur in Spenglers Leben. Er ließ sich vom Schuldienst beurlauben und nahm sich in München eine Wohnung. Hier begann
die Karriere des einsamen und doch erfolgreichen Denkers. Von nun an führte er das Leben eines freien Autors und Privatgelehrten.
Bis dahin hatte Spengler lediglich einige verstreute Aufsätze veröffentlicht. Nach seinem Umzug fasste er jedoch erste Pläne
für ein Buchprojekt, angeregt von der sogenannten »zweiten Marokkokrise«. In einem der vielen Konflikte zwischen den imperialistischen
Großmächten vor dem Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich 1911 ein Kanonenboot ins marokkanische Agadir gesandt, um gegenüber
Frankreich eigenen Territorialansprüchen Nachdruck zu verleihen. Die große politische Spannung, die sich im Ersten Weltkrieg
entlud, lag schon in der Luft.
Spengler, immer dafür empfänglich, bedeutende politische Ereignisse als »schicksalhaft« zu deuten, nahm dies zum Anlass, wie
er später in der Einleitung zum
Untergang des
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