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Das neue Philosophenportal

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Titel: Das neue Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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verständigen, ob die Gesellschaft »betroffen« ist oder nicht. Deshalb diskutiert er am Ende seines Essays zahlreiche
     Anwendungen seiner Theorie. Auch macht er einige Einschränkungenbezüglich derjenigen, die das Recht auf individuelle Selbstverwirklichung in Anspruch nehmen dürfen. Es gilt, so formuliert
     er, nur für Menschen mit »völlig ausgereiften Fähigkeiten«. Damit sind Minderjährige, aber auch Menschen mit einem sehr geringen
     Bildungsniveau ausgeschlossen. Bildung und zivilisatorische Errungenschaften sind für Mill Bedingungen dafür, dass Freiheit
     ihre Wirkung als Dünger des gesellschaftlichen Fortschritts entfalten kann. Auch der revolutionäre Theoretiker der Freiheit
     konnte nicht ganz über den Schatten des viktorianischen Bildungsbürgers springen. Doch blieb er immer der Überzeugung treu,
     dass »der Wert eines Staates auf lange Sicht der Wert der Individuen ist, die ihn bilden«. Und dieser Wert wird in der Münze
     der Freiheit gezahlt.
     
    Über die Freiheit
erschien im Frühjahr 1859 beim Londoner Verleger John W.   Parker. Mill betrachtete die Schrift als das theoretische Vermächtnis Harriet Taylors, aber auch als dasjenige seiner Werke,
     das die größte Wirkung versprach. Nach dem Erscheinen beendete er seine Isolation und seinen Rückzug ins Private. Er engagierte
     sich in der Politik, saß für kurze Zeit als Abgeordneter im Unterhaus und machte sich als Reformer und besonders als Fürsprecher
     von Frauenrechten einen Namen.
    Wie er erwartet hatte, wurde
Über die Freiheit
seine am meisten beachtete Schrift. Sie wühlte die englische Öffentlichkeit auf, zog gehässige Polemiken nach sich, übte aber
     auch auf eine ganze Generation junger Intellektueller einen prägenden Einfluss aus. Sie wurde zur Programmschrift und zur
     Gründungsurkunde des modernen Liberalismus und machte Mill in der angelsächsischen Welt zum einflussreichsten Philosophen
     des 19.   Jahrhunderts.
    Als Verteidiger individueller Freiheit wurde Mill im 20.   Jahrhundert zum Vordenker der Kritiker des modernen Totalitarismus. Dass der Mensch nicht zum Werkzeug des Staates degradiert
     werden darf und die menschliche Würde untrennbar mit Freiheit verbunden ist, haben im Anschluss an Mill Liberale wie Friedrich
     A.   Hayek und Karl R.   Popper betont. Poppers kritischer Rationalismus tritt dabei nicht nur für eine »offene Gesellschaft« ein, in der die Ansprüche
     desIndividuums geachtet sind, sondern Popper glaubt wie Mill an die Rolle der freien Diskussion und der Irrtumsverringerung für
     die Wahrheitssuche. Aber auch ein Popper-Kritiker wie Paul Feyerabend, der anstelle einer einheitlichen Methode einen Pluralismus
     von Weltdeutungen und Lebensformen fordert, konnte sich in der Tradition Mills sehen.
    Über die Freiheit
verteidigt das Kostbarste an der Demokratie: das Recht, anders sein zu dürfen. Gerade der Umgang mit den in jeder Generation
     neu entstehenden »alternativen« Lebensformen bestätigt die Auffassung Mills, dass eine Gesellschaft genau so frei ist wie
     ihre Minderheiten und Außenseiter.
     
    Ausgabe:
    John Stuart Mill: Über die Freiheit. Aus dem Englischen übersetzt von Bruno Lemke. Mit Anhang und Nachwort herausgegeben von
     Manfred Schlenke. Stuttgart: Reclam 1974 (mit bibliografischem Anhang 1988).

Panoramablick auf die Weltgeschichte
    Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes (1918   –   1923)
    Dass Propheten im eigenen Land nichts gelten, ist eine der vielen Halbwahrheiten, die zwar häufig zutreffen, aber auch immer
     wieder in Frage gestellt werden müssen. Man denkt an Kassandra, die den Fall ihrer Heimatstadt Troja vorhersah und ebenso
     wie viele ihrer Nachfolger das Schicksal einer gemiedenen und verleumdeten gesellschaftlichen Außenseiterin erfuhr. Doch der
     neben Nietzsche bekannteste Prophet der modernen Philosophie, Oswald Spengler, erntete für seine Prognose, die westliche Kultur
     sei in ihre letzte Phase eingetreten und werde in den nächsten zweihundert Jahren ihren kreativen Geist ganz aufgeben, unerwartet
     viel Beifall. Diesmal wurde der Bote nicht für die schlechte Botschaft bestraft. Im Gegenteil: Mit seiner pessimistischen
     Geschichts- und Kulturphilosophie erreichte Spengler in der Weimarer Republik ungeahnte Popularitätshöhen. Sein voluminöses
     Hauptwerk
Der Untergang des Abendlandes
, avancierte in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen zu einem Bestseller.
    Doch Spenglers Analysen gehen über eine

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