Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
als bei Magersucht, Depression oder Prüfungsangst. Da tröstet keiner! Niemand nimmt an, dass ein Innovator getröstet werden muss. Man meint, man müsste ihm nur Rat geben und helfen! Und da ist das Zuhören als Innovator nicht so angenehm wie in fast allen anderen Fällen, wo die Menschen noch einen Sinn für Mitleid haben.
Hören Sie zu:
Hindernisse bei Innovationen sind meist ein wertvoller Hinweis auf noch Unverstandenes, das eher mit Neugierde untersucht als ärgerlich abgewiesen werden sollte.
Und ich bitte Sie jetzt, mir durch den ganzen Hindernisparcours zu folgen. Worüber muss ein Innovator mit seiner Innovation springen – wieder und wieder?
Die größten Hindernisse liegen in der als Prozess glatt laufenden Arbeitsteilung der Menschen, in die sich eine meist »quer« (im Amerikanischen »cross«) über das Ganze gelagerte Innovation nicht glatt einfügen lässt. Das Leben ist für den Normalfall ausgelegt und widersteht systematisch allen Veränderungen und Ausnahmen. Die einzelnen Menschen und Unternehmensabteilungen haben ja klare Verantwortlichkeiten in ihrem Mini-Kosmos. Nur der Innovator muss alles miteinander verbinden und in Bewegung setzen. Wie schafft er es, all die Menschen für eine günstige Zeit kurz von ihren engen Partikulärinteressen und Glaubenssätzen abzubringen? Viele Hindernisse lassen sich schon aus einer kurzen Aufzählung erahnen – und sie kommen Ihnen sicherlich bekannt vor (sie liegen unter anderem im Wort »nur«):
Wissenschaftler träumen nur von Ruhm.
Marketingchefs heischen nur nach Aufmerksamkeit.
Kommunikationsmanager wollen nur ein positives Image.
Manager wollen hauptsächlich Ordnung bei steigendem Gewinn.
Berater suchen nach Schwachpunkten, um Beseitigungsaufträge zu bekommen – oder sie verkaufen Innovationsmanagement als Ware – Herzblut exklusive.
Kunden zu verstehen ist schwer – auf welche soll man hören? Auf die Protagonisten unter den Kunden, die Neues euphorisch begrüßen? Oder auf im Prinzip offene potenzielle Käufer?
Fast alle Zukunftsträumer verstehen nicht, dass erst die Infrastrukturen für die Idee wachsen müssen (Autos nützen nichts ohne Straßen, Smartphones nichts ohne Funkabdeckung), deshalb erwarten sie chronisch zu viel und alles zu schnell …
Investoren und Shareholder nennen Träume Erwartungen.
Mitarbeiter haben Besitzstandsängste im Angesicht des Neuen.
Der Innovator weiß mit all dem nicht umzugehen.
In diesen Sätzen liegen die Grundfesten der hohen Barrieren, die eine Innovation oder ein Innovator überwinden muss.
TEIL 2
SPEZIELLE INNOVATIONSHINDERNISSE
Jetzt will ich mit Ihnen eine Reise durch die Unternehmensabteilungen beginnen, die sich mit dem Neuen auseinandersetzen wollen oder müssen.
Besonders große Unternehmen sind effizient organisiert, sie haben das Prinzip der Arbeitsteilung über eine lange Zeit hinweg wieder und wieder optimiert. Alle Arbeit verläuft in Workflows oder in Prozessbahnen wie am Fließband. Jeder Mitarbeiter ist Teil einer Wertschöpfungskette und soll möglichst zuverlässig wie ein Rädchen im Getriebe »seinen Job machen«. Jeder hat eine Rolle bei seiner Arbeit auszufüllen, und nur genau die. Schlimmer noch für Innovation: Mehr und mehr neigen Unternehmen dazu, die Mitarbeiter chronisch zu überlasten, sodass sie schon in ihrem engsten Arbeitsbereich unter Stress stehen und keinerlei Zeit haben, irgendetwas anderes zu tun oder gar irgendeiner anderen Abteilung einfach einmal auszuhelfen. Unter Überstress schaut jeder auf seine Arbeit, und zwar in einem immer engeren Sinne – es gibt keine Zeit mehr! Die Zeit ist sozusagen wegoptimiert worden.
In diesem Umfeld soll nun etwas Neues entstehen. Geht das überhaupt noch? Fast alle Innovationen scheitern an den Zwängen der verschiedenen Unternehmensabteilungen, die eigentlich gar keine Zeit haben
dürfen
, bei der Entstehung von etwas Neuem mitzuwirken. Und trotzdem!
Ich gehe jetzt mit Ihnen durch verschiedene Unternehmens- oder Arbeitsbereiche und zeige Ihnen, was Sie dort als Wegbereiter des Neuen vorfinden werden – an Pflichten, Erfordernissen, Denkweisen,Arbeitsweisen und Geisteshaltungen zu Neuem. Erst wenn Sie wissen, wie die einzelnen Arbeitsbereiche »ticken«, können Sie Wege finden, das Neue trotzdem durchzutragen. Bereich für Bereich muss gut verstanden werden.
Ich beginne mit denen, die zuerst die Idee haben – bei den Wissenschaftlern. Die müssen dann »raus aus dem Elfenbeinturm« und ihre Ideen und Prototypen
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