Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Titel: Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
Vom Netzwerk:
mit Unternehmen zusammenarbeitet und auch durch seine Innovationen von der Wirtschaft/der Industrie Gelder für die Universität einnimmt. Er soll also nicht nur innovativ sein, sondern seine Leistungen auch im Markt gegen gutes Geld verkaufen. Im Jargon der Universität: Ein Professor muss Drittmittel einwerben. Und wir müssen uns fragen: Kann er das jetzt? Hat er daran jetzt Interesse, wo er vorher nur in der Forschung eingespannt war? Und wenn nun tatsächlich »das Forschen menschlich das Gegenteil zum Durchfechten und Verkaufen« ist – kann das überhaupt gut gehen?
    Lassen Sie uns genauer in die Forschungskarriere eines Wissenschaftlers hineinschauen. Früher war es eine gute Idee, bei einem Nobelpreisträger Assistent zu sein (das ist es heute auch noch)! Die Ausbildung ist hier am besten, und die eigenen Forschungsarbeiten haben ein höheres Ansehen bei anderen. Im Grunde hat man ja schon eine große Prüfung bestanden, wenn man überhaupt mit einem Nobelpreisträger zusammenarbeiten darf. Und am Schluss legt dann dieser Chef noch ein gutes Wort bei der Bewerbung ein – und schon ist man eine gemachte Frau! Heute ist das graduell anders. Die wissenschaftliche Leistung von Forschern wird durch Messkenngrößen »objektiviert«. Man »misst« die Bedeutung eines Forschers daran, wie viele Publikationen er hat, in welchen Qualitätsjournalen diese Publikationen erschienen sind und wie oft die Publikationen des Forschers von anderen Forschern zitiert worden sind. Was ist ein Qualitätsjournal? Das ist eines, bei dem nur gute Arbeiten erscheinen. Wenn also ein junger Forscher dort eine Publikation unterbringt, hat er den Beweis erbracht, dass seine Arbeit gut ist. Woran aber sieht man, dass eine Zeitschrift nur gute Artikel druckt? Das wird wiederum objektiviert. Man misst, wie oft die Artikel der Zeitschrift in anderen Zeitschriften durchschnittlich zitiert werden. Wenn sie sehr oft anderswo zitiert werden, dann ist das ein »Beweis« dafür, dass diese Zeitschrift nur gute Artikel veröffentlicht. Jede Zeitschrift bekommt als qualitative Messgröße einen so genannten »Impact-Factor« (Einflussfaktor). Jede Publikation eines jungen Forschers wird nun mit diesem Impact-Factor multipliziert. Nun zählt man die so gewichteten Publikationskennzahlen eines Forschers zusammen und bescheinigt den »persönlichen Wert« des Forschers quantitativ durch »Impact-Points«. Der spielt heute bei Bewerbungen eine wichtige Rolle. Außerdem schaut man nach, wie oftdie Publikationen eines jungen Wissenschaftlers zitiert wurden. Die beste Quelle dafür ist das »Web of Science«, wofür Sie aber ein Passwort brauchen. Google bietet diesen Service als »Google Scholar« an. Dort können Sie einen Namen eingeben und erhalten alle Arbeiten dieser Person mit deren Zitierhäufigkeit angezeigt.
    Diese Messungen, die heute ein wichtiger oder der entscheidende Bewertungsfaktor für einen Wissenschaftler sind, können mich persönlich fast auf die Palme treiben. Sie sind so ungenau und außerdem so leicht manipulierbar! Man kann sich selbst zitieren oder mit anderen vereinbaren, sich gegenseitig zu zitieren! Man schreibt Arbeiten in neuen Zeitschriften, die jede noch so schlechte Arbeit drucken und zitiert dort irre viel! Man schreibt Übersichtsarbeiten ohne Neuwert, die dann als Übersicht oft zitiert werden. Man baut in eine gute Arbeit einen Fehler ein, der dann unter Zitierung überall richtig gestellt wird. Wissenschaft bekommt dadurch so ein wenig den Touch vom Radsport, bei dem alle dopen. Die Wissenschaftler müssen jetzt also nicht nur gut forschen und alles publizieren – sie müssen sich taktisch ausgeklügelt verhalten, damit sie zu guten Impact-Factors et cetera. kommen. Und dann kommen noch skurrile Sonderfaktoren dazu. Früher schrieb man immer »G. Dueck« als Verfasser, nicht »Gunter Dueck«, da wird es schon doppeldeutiger. Was passiert, wenn Sie bei Google Scholar nach »Hans Schmidt« suchen? Was passiert mit Ihnen, wenn Sie unter Namensänderung heiraten?
    Ich selbst habe meine meistzitierte Arbeit (die ist jetzt bei rund 900 Zitationen, Koautor ist Tobias Scheuer) einfach beim
Journal of Computational Physics
eingereicht, weil wir damals bei IBM dachten, da seien die meisten interessierten Leser zu erreichen. Wir haben an
Leser
gedacht!!! Es kann im Extremfall sein, dass ich meine Karriere dadurch ruiniere! Ich muss natürlich eine Zeitschrift suchen, die erstens meine Arbeit annimmt und die zweitens unter

Weitere Kostenlose Bücher