Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
»over« durch »mehr« übersetzt, ich setze stattdessen »wichtiger als« ein):
Individuen und Interaktionen sind uns wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
. – Zwar sind wohldefinierte Entwicklungsprozesse und Entwicklungswerkzeuge wichtig, wesentlicher sind jedoch die Qualifikation der Mitarbeitenden und eine effiziente Kommunikation zwischen ihnen.
Funktionierende Software ist uns wichtiger als umfassende Dokumentation.
– Gut geschriebene und ausführliche Dokumentation kann zwar hilfreich sein, das eigentliche Ziel der Entwicklung ist jedoch die fertige Software.
Zusammenarbeit mit dem Kunden ist uns wichtiger als Vertragsverhandlung.
– Statt sich an ursprünglich formulierten und mittlerweile veralteten Leistungsbeschreibungen in Verträgen festzuhalten, steht vielmehr die fortwährende konstruktive und vertrauensvolle Abstimmung mit dem Kunden im Mittelpunkt.
Reagieren auf Veränderung ist uns wichtiger als das Befolgen eines Plans
. – Im Verlauf eines Entwicklungsprojektes ändern sich viele Anforderungen und Randbedingungen ebenso wie das Verständnis des Problemfeldes. Das Team muss darauf schnell reagieren können.
Agile Entwicklung verzichtet auf die methodische Strenge der klassischen Phasenabläufe und strebt einen iterativen Teamdialog mit dem Kunden an, der mithilft, das Projekt zu seiner Zufriedenheit zu beeinflussen. Immer wieder werden Änderungen diskutiert, immer wieder wird mit ihm diskutiert, welche Funktionalität er von der Software erwartet. Wir sind es ja gewöhnt, heute Software zu bedienen, die für alle erdenklichen Fälle programmiert ist und die wir lieber einfacher hätten. Alles ist berücksichtigt, nur das nicht, was wir gerne hätten: Unkompliziertheit!
Die Gedanken rund um das Agile Manifesto gleichen denen zur Innovation auf schlagende Weise. Die Werte, die im Manifest niedergelegt sind, drücken dies aus:
Agilität ist mehr »hysterisch als zwanghaft«.
Agilität ist die Abkehr vom linkshirndominierten Denken des »richtigen« Menschen, es will nicht mehr so viel Wert auf Prozesse, Dokumentationen, Pläne, Lastenhefte und Pflichtenhefte legen.
Agilität geht offen mit Veränderungen und Ungewissheiten um.
Agilität steht für ein Denkkonstrukt, wie es eher einem »natürlichen« Menschen entspricht, der aber eine Affinität zum »wahren« Menschen hat – das zeigt die Ausdrucksweise des Manifestes, das keine Regeln vorschreibt, sondern Prinzipien und Maximen als Leitlinien des Handelns sieht.
Oder kurz:
Die Denkbewegung der agilen Entwicklung und des Extreme Programming ist im omnisophischen Dreieck zwischen dem Pionier und dem Entrepreneur angesiedelt.
Diese neuen Ansätze stellen eine Abkehr von den klassischen Großprojektansätzen dar, die zunehmend als zu schwerfällig, monolithisch kolossal und vor allem zu bürokratisch empfunden werden.
Viele Projekte werden heute nach dem agilen Konzept angelegt und durchgeführt. Was kommt heraus? Ist nun der Stein des Weisen gefunden, wie die Unterzeichner des Manifestes glauben machen könnten?
Ach nein, denn die agilen Methoden verlangen natürlich »leider« agile Entwickler und ebenso agile Kunden. Was, wenn das Kundenunternehmen, das eine Software entwickeln lässt, ein bürokratischer Koloss ist? Dann wird es als abnehmender Kunde auf den klassischen Phasenmodellen mit Dokumentationen und Plänen bestehen. Ihm ist es wichtiger, dass die Zeit- und Budgetpläne eingehalten werden, auch wenn die Software dann nicht so gut ist (»Die Mitarbeiter müssen sich eben dran gewöhnen, wenn sie nicht perfekt ist – besser ging es eben nicht«). Agilität erfordert ein hohes Maß an professionellen Kommunikationsfähigkeiten, und zwar fast durchweg von allen Entwicklern. Diese sind aber oft sehr introvertiert, etliche haben Symptome des Asperger-Syndroms, einer milden Form des Autismus. Sie sind im omnisophische Dreieck zu weit von der »natürlichen Ecke« entfernt. Sie arbeiten im Planmodus gut, auch wenn sie über das viele Kontrollieren und Dokumentieren jammern. Im agilen Modus können sie mangels Kommunikationsfreude und -fertigkeit an die Grenze des Versagens geraten!
Aus diesen Erfahrungen heraus könnte man folgern (das tue ich hier einmal): Agile Entwicklung ist dann besser als solche nach bürokratischen Prozessen, wenn alle Beteiligten Pioniere und Entrepreneure sind, also auch als Personen agil sind. Ein agiles Projekt mit traditionellen Mitarbeitern (»Gamma-Tieren«), die für alles Anordnungen und
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