Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
zu, dass Aishe sich eine Notiz im Hinterkopf machte, die Scharniere nachzusehen.
» Spielt dein Schwiegervater wieder verrückt?«, fragte Aishe nach ein paar Minuten, in denen immer deutlicher wurde, dass Mo nur schweigend vor sich hin schmoren wollte.
Aishe wusste Bescheid über Lowells Rückzug in sein Arbeitszimmer und dem zwanghaften Horten von Hülsenfrüchten und war entsprechend neugierig, was er noch Schlimmeres anstellen konnte. Sich auf Spielplätzen zu entblößen, kam ihr in den Sinn, oder in den Ausstellungsraum eines Badezimmerausstatters zu kacken. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass er eine Schwäche für Damenunterwäsche entwickelte, was dem Katalog von Victoria’s Se cr et im Briefkasten eine ganz neue Pikanterie verleihen würde.
» Er baut ein Wikingerlangschiff«, erklärte Mo. » In der Garage.«
» Ein was ?«
» Darauf will er nach seinem Tod aufgebahrt werden, dann soll es in Brand gesteckt werden und aufs Meer raustreiben.«
» Hat er denn nordische Vorfahren?«, fragte Aishe. » Chad sieht jedenfalls so aus.«
» Nein«, erwiderte Mo. » Die Lawrences sind unerschütterlich Angelsachsen. Nein, er hat die Idee aus einem Film mit Burt Lancaster, den er gesehen hat, als er sich im Arbeitszimmer vergraben hatte.«
» Zumindest hat ihn das wieder aus seinem Bau gelockt.«
» Nur zum Hobeln und Schrauben«, entgegnete Mo. » Abends verzieht er sich nach wie vor aufs Chesterfield-Sofa und lässt sich das Aroma von Altmännerunterhosen und abgestandener Pisse um die Nase wehen.«
» Weißt du«, sagte Aishe nach einer Weile, » ich find’s eigentlich ziemlich cool, sich einen Sarg für die eigene Wikingereinäscherung zu bauen.«
» Cool?« Mo starrte sie an. » Das ist völlig durchgeknallt!«
» Aber cool durchgeknallt!«, sagte Aishe. » Ikonoklastisch.«
» Ich persönlich«, entgegnete Mo, » halte es eher für einen weiteren Beweis der latent vorhandenen Charakterfehler bei den Lawrence-Männern. Sie setzen sich ein verrücktes Ziel und verfolgen es, koste es, was es wolle– vor allem ihre Liebsten und Angehörigen! Und wenn die Hölle losbricht, Feuer vom Himmel regnet oder der Heizkessel zu explodieren droht.«
» Besser, als gar keinen Plan zu haben«, erwiderte Aishe. » Es sei denn, man ist in den Status quo verliebt.«
Wahrscheinlich war es ein Glück, dass Mo darauf nichts zu erwidern hatte, denn Aishe achtete von dem Augenblick an nicht mehr auf sie, als sie auf den Parkplatz der Mehrzweckhalle des Orts einbogen, wo Gullivers Konzert stattfinden sollte. Ihre gesamte Aufmerksamkeit war nun auf das Minenfeld des vor ihr liegenden Abends gerichtet und wie sie gedachte, ihn zu überstehen.
Im Geiste sah sie sich in einer Mischung aus kühler Würde und krassem Sexappeal. Nicht Izzy würde die Blicke sämtlicher männlichen Anwesenden auf sich ziehen, sondern Aishe. Sie würde es jedoch nicht ausspielen, sondern sich distanziert geben, was voraussichtlich alle außer Eddie abschrecken würde. Bei ihm war wohl die beste Taktik abzuwarten, bis ihm eine anzügliche Bemerkung auf den Lippen lag, und ihm dann mit dem spitzen Absatz ihres Stiefels die Hand zu zermalmen.
Allerdings stellte sie fest, dass auch nur der leiseste Gedanke an Benedict und Izzy, ganz gleich, wie schnell sie ihn verdrängte, eine chaotisches Knäuel von Emotionen in ihr auslöste, die weder Würde noch Distanziertheit förderlich waren. Aishe war nicht in der Lage und auch nicht willens, diese Gefühlsstränge zu entwirren und ihre Beschaffenheit und Ursache zu untersuchen. Statt dessen packte sie jeden einzelnen, sobald er sich hydraartig meldete, unterdrückte ihn und stopfte ihn wieder zurück.
Dabei gab sie Benedict an allem die Schuld. Wäre er nicht gewesen, hätte sie nie Angst gehabt, er könnte sich zwischen sie und Gulliver drängen. Wäre er mies im Bett gewesen wäre, hätte es ihr nie etwas ausgemacht, als er verschwand. Wenn er weniger rückgratlos, unfähig und nichtswürdig wäre, hätte sie sich vielleicht mehr Mühe gegeben, ihn zu halten. Es war seine Schuld, dass ihr Plan, ihn zu kontrollieren, fehlgeschlagen war. Es war seine Schuld, dass sie sich jetzt zurückgewiesen, ohnmächtig und verletzlich fühlte.
Das ist eine Lüge, sagte Franks Stimme in ihrem Kopf. Du fühlst dich nur so, weil du weißt, dass Verluste unausweichlich sind, egal, wie sehr du dagegen ankämpfst. Was vor allem bedeutet, dass du sehr, sehr große Angst hast.
Wenn du mich nicht verlassen
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