Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
wenn er als Rockstar Erfolg hat?«
» Die Rockmusiker, die ich kannte, mussten Klamotten verkaufen, um was zu beißen zu haben«, sagte Aishe. » Wie heißt es so schön in dem Witz: Wie nennt man einen Schlagzeuger ohne Freundin?«
Mo schüttelte den Kopf.
» Obdachloser.«
Sie stieß die Fahrertür auf. » Komm«, sagte sie zu Mo. » Wenn ich irgendwas heute Abend richtig mache, dann wirklich peinlich laut klatschen.«
36
» Wow, das ist ja brechend voll!«, sagte Mo.
Aishe sah, dass es stimmte, und verspürte einen leisen Anflug von Angst um Gulliver. Ich hoffe, er spielt gut, dachte sie. Und dass er sich nicht nervös machen lässt.
Eddie saß am Kartentisch. Aishe machte sich auf eine anzügliche Bemerkung gefasst, er gab sich jedoch ganz geschäftsmäßig und nahm ihre Karten nur mit einem Nicken und einem kurzen Lächeln entgegen. Aishe war zwar erleichtert, fand seine Reaktion aber auch etwas unbefriedigend.
Sie fühlte sich gezwungen, etwas zu sagen. » Du freust dich bestimmt, dass es so voll ist.«
» Noch mehr würde ich mich freuen, wenn das Mischpult nicht kurz davor wäre, den Geist aufzugeben«, bemerkte er. » Betet für mich zu den Göttern der Musik, ja?«
Er nimmt das wirklich ernst, dachte Aishe, als er sich dem Nächsten in der Schlange zuwandte. Er wünscht sich aufrichtig, dass die Kids einen gelungenen Abend haben.
Dadurch stieg Eddie in ihrer Achtung. Nicht genug zwar, um ihn zu mögen, aber es reichte, um froh zu sein, dass Gulliver die Chance hatte, in seiner Musikschule zu spielen. Der Gedanke, dass sie Benedict eigentlich dafür danken musste, wurde im Keim erstickt.
Mo und Aishe fanden Plätze ziemlich weit vorn. Es gab noch vier freie Stühle und Aishes natürliche Antipathie anderen Menschen gegenüber veranlasste sie, sich auf den am Gang zu setzen.
» Du solltest aufrücken«, sagte Mo und schob sich an ihr vorbei auf den nächsten Stuhl. » Es ist unhöflich, eine Lücke zu lassen.«
» Ich muss in der Lage sein, schnell und unauffällig zu verschwinden«, erklärte Aishe, » falls meine Nerven nicht mitmachen.«
» Okay«, sagte Mo. » Aber wenn sich ein Fettsack neben mich setzt und schwitzt, lass ich dich tauschen.«
Das Licht im Saal wurde runtergedimmt. Die Zuschauer kamen langsam zur Ruhe, die Gesprächslautstärke sackte auf Gemurmel ab, Programme raschelten und Körper rutschten auf den harten, schmalen Klappstühlen hin und her, bis sie eine bequeme Position gefunden hatten.
Aishe merkte, dass jemand neben ihr im Gang stand und » Hier drüben!« zischte. Dann sagte die Stimme: » Tut mir leid, tut mir leid«, und Aishe war gezwungen, ihre Füße zu heben, um eine junge Frau und ihren Begleiter, jemanden in Jeans und Lederjacke, vorbeizulassen.
Aishe versuchte, ihren Blick auf die Bühne gerichtet zu halten, daher bemerkte sie erst, als Mo sagte: » Hey, wen haben wir denn da?«, dass die junge Frau, die jetzt neben Mo saß, Izzy war, und ihr Begleiter, der ihren Blick mied, Benedict.
» Oh, hallo«, sagte Izzy zu Aishe. » Sie sind Gullivers Mum, richtig?«
Ja, das ist richtig, dachte Aishe. Für dich werde ich nie einen Namen haben. Sobald ich ein Kind hatte, habe ich meine Identität als geschlechtliches Individuum verloren. Für dich gehöre ich nicht mal mehr zur selben Spezies. Ich bin eine Exfrau, eine Null, ein hohles Gefäß. Ein leeres Marmeladenglas mit einem verwischten Etikett, auf dem ›Gullivers Mutter‹ steht.
Aishe wagte einen kurzen Seitenblick auf Benedict, dessen Aufmerksamkeit ausschließlich der Bühne zu gelten schien. Doch selbst im dämmrigen Licht sah Aishe, dass sein Gesich t an gespannt wirkte und er die Schultern hochgezogen hatte.
Ich wette, er fühlt sich wegen mir so unwohl. Der Gedanke bereitete ihr gemeinerweise Vergnügen. Dann schoss ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf– ich wette um alles, was du willst, dass ich ihn mit einem Fingerschnippen zurückerobern könnte. Die dumme Göre hat keine Ahnung, wozu ich fähig bin. Warum es ihr nicht mal zeigen?
Ich werde diesen Abend genießen, dachte Aishe, und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sogar mehr, als ich gehofft habe.
Das Konzert selbst war großartig. Die Musiker, alle zwischen vierzehn und siebzehn, waren begabt und fähig. Die Stücke waren gute Rocknummern und bewusst so ausgewählt, dass sie einem breiten Publikum gefielen. Aishe stockte nur einmal das Herz, als Gulliver vortrat, um das Bass-Solo aus Fleetwood Macs The Chain zu spielen. Aber…
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