Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Super!« Mo hob die Hände über den Kopf und klatschte. » Whoo-hoo! Go Gulliver!«
Bevor sie es verhindern konnte, warf Aishe wieder einen verstohlenen Blick zu Benedict. Zu ihrer– und seinem Ausdruck nach zu urteilen auch seiner– Überraschung trafen sich ihre Blicke. Da Aishe unbeabsichtigterweise lächelte, erwiderte er ihr Lächeln, zögernd zuerst, aber dann breit und herzlich.
Plötzlich überkamen Aishe leise Zweifel. Doch dann lehnte Izzy sich zurück, schlang ihren Arm um Benedicts Schultern und schmiegte ihren Kopf an seinen Hals. Aishe schwor, keinen weiteren Blick zu riskieren.
Als sie in der Pause ins Foyer gingen, sah Mo sich stirnrunzelnd um. » Ich muss mal auf die Toilette«, verkündete sie. » Da es mit Sicherheit eine Riesenschlange gibt, warte nicht auf mich. Wir treffen uns wieder an unseren Plätzen.«
Aishe nickte nur. Sie versuchte, Benedict unauffällig im Auge zu behalten. Mit tiefer Befriedigung sah sie, dass Eddie Izzy zu sich winkte und die beiden im Saal verschwanden, vermutlich, um die Bühne für den zweiten Teil des Konzerts vorzubereiten. Aishe beobachtete, wie Benedict eine Minute unschlüssig dastand, als überlegte er, was er tun wollte, bevor er sich umdrehte und Richtung Ausgang strebte.
Hab ich dich, dachte Aishe, und setzte sich in Bewegung.
Da ertönte eine Stimme hinter ihr. » Er ist verdammt gut, was?«
Patrick strahlte sie an. » Ich bin wirklich beeindruckt. Der nächste Jon Entwhistle, würde ich sagen. Obwohl ich lieber jemanden zum Vergleich nehmen sollte, der noch lebt…«
» Ja, großartig. Super.« Aishe tappte mit ihrem Fuß. » Ich muss los.« Sie suchte nach einer Ausrede, um weitere Fragen zu unterbinden, und entschied sich für die eine, die noch nie versagt hatte. » Frauenprobleme.«
» Alles klar.« Patrick trat tatsächlich einen Schritt zurück. » Ja, dann– bis später.«
Aishe wartete nicht ab, ob er ging.
Sie bezweifelte nicht im Geringsten, Benedict ausfindig zu machen, und so war es auch. Er hockte auf einem Betonklotz auf dem unbebauten Grundstück zwischen der Rückseite des Saals und einer Ladenzeile.
Er stand sofort auf und sah ihr mit gespannter Erwartung entgegen wie ein Cowboy, der sich nicht sicher ist, ob sein Gegner auf ein Zeichen wartet oder jeden Moment seinen Revolver zieht und ihm eine Ladung Blei verpasst.
Sie trat zu ihm und baute sich vor ihm auf: Daumen in den Gürtelschlaufen ihrer Jeans, den Kopf schräg gelegt, ein verhaltenes, abschätzendes Lächeln um die Lippen.
» Zählst du die Lücken zwischen den Sternen?«, fragte sie. » Oder wartest du, dass jemand nach dir pfeift?«
Benedicts Mund öffnete und schloss sich wieder, als suchte er nach einer schlagfertigen Antwort– wie Bogart bei Bacall. Aber ihm fiel nichts anderes ein als: » Ich brauchte mal ein bisschen frische Luft.«
Aishe wusste, dass sie nur wenige Minuten hatte, bevor das Konzert weiterging. Keine Zeit für Geplauder.
Sie schob eine Hand unter seine Jacke und ließ sie auf seinem T-Shirt ruhen. Sie hörte, wie er scharf Luft holte, und spürte die Gänsehaut, als sie mit dem Daumen über die Haut an seiner Hüfte fuhr.
» Ich glaube, du brauchst was anderes«, sagte sie und zog mit der anderen Hand sein Kinn zu sich herunter.
Zwei Dinge geschahen, auf die Aishe nicht vorbereitet war: einerseits das unglaubliche Verlangen, das sie beim Küssen überkam, und andererseits, dass Benedict den Kuss abbrach und sich von ihr frei machte.
Er trat einen Schritt zurück. Als er sie anstarrte, wirkte er schockiert und leicht benommen. Doch dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und wurde härter wie abkühlendes Wachs. Aishe war sofort auf der Hut. Denn jetzt sah sie nur noch Zorn.
» Warum machst du das?«, fragte er. » Was zum Teufel soll dieses Spielchen?«
Keine Erklärung, keine Entschuldigung– das war Aishes Motto. » Wieso glaubst du, das wäre ein Spielchen?«
» Weil ich dir scheißegal bin.« Er klang ruhig, aber Aishe sah, dass seine Brust sich so schnell hob und senkte, als wäre er gerannt. » Das war ich immer.«
Keine Entschuldigung.
» Ich weiß nicht, warum du mit mir geschlafen hast«, sagte er. » Wahrscheinlich hast du dich gelangweilt und mich als leichte Beute betrachtet. Was ich Gott weiß auch war. Oder aus irgendeinem anderen schleierhaften Grund, den ich nicht kenne.«
Er senkte den Blick auf den schmutzigen Asphalt und kickte gegen einen Stein. » Nein, ich weiß nicht, welche Gründe du damals
Weitere Kostenlose Bücher