Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
herausstellt).
Deshalb hatte Aishe sich angewöhnt, Mo fast täglich um die Mittagszeit herum zu besuchen. Benedict unterrichtete Gulliver an zwei Vor- und drei Nachmittagen und kümmerte sich die andere Hälfte des Tages um Mos Kinder. Da er bei Aishe gegen Mittag entweder eintraf oder aufbrach, hatte es zwei große Vorteile für sie, Mo um diese Zeit zu besuchen: Erstens stellte sie damit sicher, dass sie selbst fast nie allein mit Benedict war, und zweitens konnte sie die beiden zusammen beobachten, zumindest eine Zeitlang.
Bis jetzt hatte Aishe keinerlei Anzeichen für ein geheimes Einverständnis zwischen den beiden bemerkt, und ihr Verstand drohte ihr schon mit Einweisung in die Psychiatrie. Heute hatte sie Gulliver zu Mo mitgenommen, weil sie befürchtete, ihre Spioniererei würde langsam zu offensichtlich. Daraufhin hatte ihr Verstand schon mal die Zwangsjacke vorgezogen und ihr hingehalten. Aber sie konnte nicht anders: Sie musste es einfach wissen. Und Mos Geständnis, dass sie ihren Mann nicht mehr unter Kontrolle hatte, war ein perfektes Stichwort.
Trotzdem war es besser, subtil vorzugehen.
» Wieso, glaubst du, hat Chad auf einmal Eier in der Hose?«
» Das hatte er schon immer«, erwiderte Mo achselzuckend. » Eine Furie wie ich hätte nie einen Mann heiraten können, der nicht weiß, was er will. Aber allmählich wird mir klar, dass er vielleicht mehr Rückgrat hat, als ich dachte.«
Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, als könnte sie dadurch unerfreuliche Gedanken abschütteln, die vielleicht daran hafteten.
» Früher hat es mich geärgert, dass er sich völlig verbogen hat, nur um seinen Eltern zu gefallen«, fuhr Mo fort. » Manchmal war ich sogar sauer, wenn er das auch bei mir gemacht hat. Aber jetzt erkenne ich, dass es Chad vor allem wichtig war, alle um ihn herum glücklich zu sehen. Und wenn er seine Umgebung glücklich machen konnte, umso besser! Wenn ich also meinte, er würde nachgeben, einknicken, war das keineswegs so. Sondern eine bewusste Entscheidung. Um uns glücklich zu machen.«
» Und jetzt entscheidet er sich also dafür, sein eigenes Glück an erste Stelle zu setzen«, sagte Aishe. » Aber das ist doch gar nicht so schlecht. Menschen, die das nie tun, verlieren schnell aus den Augen, wer sie sind. Wenn man von der Bestätigung anderer abhängig ist, kann man nicht sein eigenes Leben leben.«
Aishes Bemerkung veranlasste Mo, zu Harry hinüberzuschauen, der in der Hocke vor Gulliver saß und ihm zusah, wie er die große Plastikkiste nach Gleisteilen durchwühlte. Gulliver holte zwei Brücken heraus: eine gerade Holzbrücke und ein geschwungenes Viadukt mit Tunnel.
» Welche?«, fragte er Harry.
Mo wusste genau, dass Harry die geschwungene liebte, sah ihm aber an, dass er mit sich kämpfte. Was wäre, wenn er seine Lieblingsbrücke auswählte und dann herausfände, dass sein angebeter Gulliver die andere genommen hätte? Glücklich machen oder glücklich gemacht werden?, dachte Mo. Das ist die Frage. Es ist schwer, es auf einmal allen recht zu machen, wenn das Leben bisher darauf ausgerichtet war dafür zu sorgen, dass einem die anderen alles recht machten . A ndererseits, gilt das nicht auch für den umgekehrten Fall?
Aishe verlor langsam die Geduld. Mos Mann scherte sie einen Dreck; er war schließlich nur Gesprächsthema, damit sie herausfand, ob Mo es mit einem anderen trieb. Höchste Zeit, nicht länger um den heißen Brei herumzureden.
» Wie läuft dein Plan, eine gute Ehefrau zu sein?«, fragte sie. » Meinst du nicht, eine Affäre mit Seiner Lordschaft wäre einfacher?«
Mo sah sie verwirrt an. » Seiner Lordschaft?«
Also gut, entweder ist sie echt gerissen, dachte Aishe, oder sie hat wirklich keine Ahnung, worauf ich hinauswill. Ich tippe erst mal auf ›gerissen‹.
» Der blutleere Wassertreter«, sagte Aishe. » Der fürnehm salbadernde Pipistrahl.«
» Benedict?«, lachte Mo. » Was in aller Welt hat der arme Junge dir getan, um so viel Verachtung zu verdienen?«
» Bringt er dich nicht auch durch seine bloße Anwesenheit auf die Palme?«
» Zugegeben, sein snobistischer Akzent ist schon etwas nervig. Aber im Großen und Ganzen mag ich ihn sehr.«
Mos offensichtliches Amüsement brachte Aishe so auf, dass sie alle Vorsicht vergaß.
» Genug, um mit ihm zu schlafen?«
» Mommy, guck mal!«
Harry kam angerannt und packte Mo am Arm. » Wir haben’s geschafft! Wir haben eine Brücke und einen Tunnel und alles gebaut!«
Eine Sekunde lang
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