Das Niebelungenlied
werden.« Ihre Brüder wiederholten, sie möge nun zusagen und endlich ihre Trauer aufgeben. Sie baten so lange, bis sie endlich bekümmert vor allen Rittern Etzel die Ehe versprach.Sie sagte: »Ich will Euch zu den Hunnen folgen, ich arme Königin, sobald ich die Verwandten gefunden habe, die bereit sind, mich zu begleiten«, und gab darauf vor allen ihre Hand. Da sagte der Markgraf: »Wenn Ihr auch nur zwei Mann findet; alle übrigen bringe ich auf: Es wird alles geschehen, daß Ihr in Ehren über den Rhein reisen könnt. Ihr sollt nicht länger hier in Burgund bleiben. Ich habe fünfhundert Männer, und meine Verwandten, die sollen Euch hier zu Diensten sein und in der Heimat sich nach Euren Wünschen richten; und ich selbst werde mich verhalten, wie es meine Ehre verlangt. Nun laßt die Ausrüstung Eurer Pferde fertigstellen. Rüedegêrs Rat wird Euch nie zum Schlechten ausschlagen. Und sagt den Mädchen Bescheid, die Ihr mit Euch nehmen wollt. Unterwegs werden die besten Ritter zu uns stoßen.«
Sie hatten noch kostbares Reitzeug, das zu Sîfrits Lebzeiten benutzt worden war, damit konnte jedes Mädchen in Ehren auf die Reise gehen. Sie bereiteten ihre besten Kleider vor, weil sie so viel von Etzel gehört hatten. Die Kisten, die verschlossen gestanden hatten, wurden geöffnet. Fünf und einen halben Tag lang hatten sie zu tun, alle Kleider suchten sie aus den Tüchern. Kriemhilt ließ ihre Schatzkammer aufschließen, denn sie wollte alle Männer Rüedegêrs reich machen. Sie besaß noch so viel Gold aus dem Nibelungenland, daß hundert Pferde es kaum tragen konnten. Sie hatte im Sinn, es bei den Hunnen zu verteilen.
Davon erfuhr Hagen. Er sagte: »Da Kriemhilt mir nicht freundlicher gesinnt ist, muß auch Sîfrits Gold hierbleiben. Warum sollte ich meinen Feinden so viel Besitz lassen? Ich weiß wohl, was Kriemhilt mit diesem Schatz tun wird. Wenn sie ihn fortschafft, so glaube ich gewiß, daß er verteilt wird, um Haß gegen mich zu säen. Sie haben auch nicht genug Pferde, um den Schatz zu befördern. Den will Hagenbehalten, das soll man Kriemhilt mitteilen.« Diese Nachricht erbitterte sie sehr. Auch alle drei Könige erfuhren davon. Sie wollten gern einschreiten, aber als es nicht dazu kam, sagte Rüedegêr zuversichtlich: »Königin, warum klagt Ihr um das Gold? König Etzel wird Euch so schätzen, wenn er Euch erst von Angesicht gesehen hat, daß er Euch so viel gibt, wie Ihr es nie verschenken könnt – das versichere ich Euch.« Kriemhilt sagte: »Rüedegêr, eine Königstochter hat nie solchen Reichtum besessen wie den, den Hagen mir geraubt hat.« Da kam ihr Bruder Gêrnôt an die Kammer und schloß sie selbst auf mit dem Recht des Königs. Kriemhilts Gold wurde herausgegeben, es waren dreißigtausend Mark oder noch mehr. Er bat die Hunnen, es mitzunehmen. Gunther war es recht so. Der von Pöchlarn sagte: »Und wenn meine Herrin auch alles Gold haben möchte, das je aus Nibelungenland hergeholt wurde, weder meine Hand noch ihre Hand soll es berühren. Laßt es zurücktragen, denn ich will es nicht nehmen. Für die Rückreise haben wir genug und übergenug.« Inzwischen hatte Kriemhilts Gesinde zwölf Kästen mit allerbestem Gold gefüllt; diese und die Schmuckstücke, die die Frauen für die Reise brauchen würden, wurden mitgenommen. Kriemhilt war erbost über Hagens Anmaßung. Sie hatte noch ungefähr tausend Mark Opfergold, das teilte sie für Sîfrits Seelenheil aus, und Rüedegêr begriff ihre Treue. Betrübt fragte sie: »Wo finde ich nun meine Freunde? Die mir zuliebe in der Fremde leben wollen, sollen mit mir ins Hunnenland reiten. Sie können meinen Schatz nehmen und dafür Pferde und Gewänder kaufen.« Da sagte der Markgraf Eckewart: »Seit ich in Eure Dienste gegangen bin, war ich Euch treu ergeben, und werde es auch bis ans Ende bleiben. Fünfhundert Männer will ich mit mir nehmen. Ich will mich nicht von Euch trennen, solange der Tod es nicht tut.« Für diese Worte dankte ihm Kriemhilt und verneigte sich.
Da wurden die Pferde aus den Ställen geführt. Die Freunde weinten. Uote und die Mädchen waren traurig über den Abschied von Kriemhilt. Sie nahm hundert Frauen mit sich, die wurden prächtig ausgestattet. An Etzels Hof sollte sie wieder froher leben. Gîselher und Gêrnôt begleiteten sie mit ihrem Gefolge und tausend Kriegern, wie es die höfische Sitte gebot. Dabei waren auch Gêre, Ortwîn und Rûmolt, die bis ans Ufer der Donau die Nachtquartiere besorgten. Gunther war
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