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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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Kriemhilt ehrenvoll mit eintausendzweihundert Männern, dazu Herr Bloedel, Etzels Bruder, mit dreitausend. Endlich kam König Etzel mit Dietrîch von Bern und seinen Gefährten. Dies alles versetzte Kriemhilt in festliche Stimmung. Rüedegêr sagte ihr: »Hier will der König Euch empfangen. Ich werde Euch sagen, wen Ihr küssen sollt, haltet Euch daran, denn Ihr dürft nicht jedermann in gleicher Weise begrüßen.« Die Königin wurde aus dem Sattel gehoben. Etzel wartete nicht länger, er schwang sich mit seinen Männern von den Pferden. Er trat freundlich auf Kriemhilt zu. Wie es heißt, gingen zwei hohe Fürsten hinter Kriemhilt und trugen ihre Schleppe, als sie Etzel entgegenging und ihn mit einem Kuß begrüßte. Sie schob ihre Haube zurück, da leuchtete ihr Gesicht aus dem Gold. Viele Männer sagten, Frau Helche könne nicht schöner gewesen sein. In der Nähe stand Bloedelîn, der Bruder des Königs, den und König Gibeche riet Rüedegêr ihr zu küssen. Da stand auch Dietrîch. So küßte sie zwölf Männer und grüßte die anderen freundlich. Solange König Etzel bei ihr stand, trugen die jungen Ritter Kampfspiele aus, wie es noch heute Sitte ist; das taten die Heiden und Christen je nach ihrer Art. Wie ritterlich Dietrîchs Männer die Lanzen und dann die Speersplitter hoch über die Schilde fliegen ließen! Bei den deutschenGästen wurde mancher Schild brüchig. Lärmend zerbrachen die Lanzenschäfte beim Aufprall. Nun waren alle Ritter des Königs und sämtliche Gäste angekommen, und Etzel führte Kriemhilt fort. In ihrer Nähe stand ein besonders prächtiges Zelt, und das ganze Feld war bedeckt mit Unterkünften, wo die Reisenden sich ausruhen sollten. Die Ritter führten die Mädchen zur Königin hinein, die auf kostbaren Stuhlkissen saß. Der Markgraf hatte alles auf das beste vorbereitet, und Etzel freute sich. Ich weiß nicht, was er sagte, aber Kriemhilts Hand lag in seiner Rechten, so saßen sie freundlich nebeneinander, denn Rüedegêr wollte dem König noch keine Vertraulichkeiten gestatten. Die Turnierspiele wurden abgebrochen, es wurde still. Die Hunnen richteten sich in weitem Umkreis überall in den Zelten ein. Der Tag war zu Ende, und sie ruhten sich aus, bis der helle Morgen zu leuchten begann. Da gingen die Männer zu ihren Pferden, und von neuem begannen die Spiele zu Ehren des Königs.
    Etzel mahnte die Hunnen, alles mit größter Würde auszuführen. Sie ritten von Tulln nach Wien, wo die Frauen sich geschmückt hatten und Etzels Gattin prächtig empfingen. In Hülle und Fülle war alles bereit, was zu wünschen war. Die Ritter freuten sich auf das bunte Getümmel. Das Fest des Königs nahm fröhlich seinen Anfang. Nicht alle Gäste konnten in der Stadt beherbergt werden, und Rüedegêr bat die Einheimischen, sich auswärts Quartier zu suchen. Dietrîch und einige andere Ritter wichen Kriemhilt nicht von der Seite, sie waren unablässig beschäftigt, um die Gäste zu erfreuen. Das Fest, auf dem der König Etzel Beilager mit Kriemhilt hielt in der Stadt Wien, war auf Pfingsten gefallen. So viele Männer sind Kriemhilt bei ihrem ersten Gatten wahrscheinlich nicht dienstbar geworden. Wer sie noch nie gesehen hatte, dem machte sie sich mit Geschenkenbekannt, so daß mancher von ihnen zu den Gästen sagte: »Wir glaubten, Kriemhilt besitzt nichts mehr, statt dessen hat sie hier wunderbar reichlich ausgeteilt.« Das Fest dauerte siebzehn Tage. Man kann sicherlich von keinem größeren Fest des Königs berichten. Alle, die da waren, trugen ganz neue Kleider. In den Niederlanden war sie wohl kaum von so vielen Rittern umgeben. Überdies meine ich, daß Sîfrit, so reich er auch an Schätzen war, nie so viele Ritter in seinen Diensten hatte, wie sie an Etzels Hof sah. Auch hat niemand bei seinem Fest so viele kostbare Mäntel und Kleider verschenkt, wie Etzel und seine Fürsten es taten um Kriemhilts willen. Sie waren so gesinnt, daß sie an nichts sparten. Sie gaben bereitwillig, was immer verlangt wurde. Mancher stand seiner Freigebigkeit wegen mit bloßem Leibe da. Kriemhilt dachte daran, wie sie am Rhein neben ihrem Mann gesessen hatte, in ihren Augen standen Tränen, aber sie verheimlichte es, daß niemand es sah. Nach so viel Unglück war sie ehrenvoll behandelt worden. Alle Freigebigkeit war aber nichts gegen die Dietrîchs – was Etzel ihm geschenkt hatte, war nun ganz und gar verschwendet. Auch Rüedegêr verschenkte unglaublich viel. Bloedel leerte manche Reisetruhe von Gold und

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