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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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Silber und gab es dahin; hochgestimmt lebten die Ritter des Königs. Ich glaube, Wärbel und Swämmel, die Spielleute des Königs, haben jeder etwa tausend Mark oder mehr bekommen bei dem Fest, als Kriemhilt neben Etzel die Krone trug.
    Am achtzehnten Morgen ritten sie aus Wien. Nach ritterlicher Weise wurden wieder viele Schilde mit den Speeren zerstochen. So zog Etzel in Hunnenland ein. In der alten Hainburg blieben sie über Nacht. Sie zogen so zahlreich durchs Land, daß niemand ihre Anzahl schätzen konnte. Und was für schöne Frauen es in Etzels Heimat gab! Bei der mächtigen Wieselburg schifften sie sich ein. Das Wasserwurde von Reitern und Pferden verdeckt, so weit man seinen Lauf übersehen konnte, als wäre es fester Boden. Die reisemüden Frauen konnten sich bequem ausruhen. Die Schiffe wurden zusammengebunden, damit der Strom ihnen nichts antun konnte. Darüber waren Zeltdächer ausgespannt, als ob sie noch Land unter den Füßen hätten. Von dort gelangte die Nachricht über ihre Ankunft in Etzels Burg, und Helches Hofgesinde freute sich. Es sollte bei Kriemhilt noch manchen fröhlichen Tag erleben. Die Mädchen, die Helches Tod betrübt hatte, erwarteten sie. Hier traf Kriemhilt noch sieben Königstöchter, die eine Zierde für Etzels Land waren. Herrât, Helches Nichte, führte noch die Aufsicht über den weiblichen Hofstaat. Sie war die Tochter des großen Königs Näntwîn und nun mit Dietrîch verlobt; sie kam später zu großem Ruhm. Sie freute sich auf die Gäste, für die alles prächtig vorbereitet war. Wer könnte sagen, wie der König seither regierte? Man hat jedenfalls in Hunnenland nie besser mit einer Königin gelebt. Als der König mit seiner Frau vom Ufer heranritt, wurde jede ihr einzeln vorgestellt. Sie grüßten Helches Nachfolgerin mit Ergebenheit. Die Königin erwarb sich treue Dienste. Alles, was sie über den Rhein mitgebracht hatte – Gold und Gewänder, Silber und Edelsteine –, das teilte sie jetzt ganz und gar aus. Alle Verwandten und Männer des Königs wurden ihr nun untertan, und sie hatte solche Macht über den Hofstaat, wie Helche sie nie besessen hatte. Der Hof und das Reich standen in hohem Ansehen. Die Freundlichkeit des Königs und die Schätze der Königin schufen ein fröhliches Leben, wie einer es nur begehren konnte.

23 . WIE ES KRIEMHILT GELANG, DASS IHRE BRÜDER ZU EINEM FEST KAMEN
    In solcher Herrlichkeit lebten sie sieben Jahre. Inzwischen hatte die Königin einen Sohn geboren, der Etzels größte Freude war. Sie ließ aber nicht ab, ihm zuzusetzen, bis das Kind nach christlicher Sitte getauft wurde; es bekam den Namen Ortliep. Das fand im ganzen Land Beifall. Kriemhilt eignete sich alle Vorzüge an, die Helche eigen gewesen waren; in den Gebräuchen des hunnischen Hofes ließ sie sich von Herrât unterweisen, die heimlich um Helche trauerte. Bei den Fremden wie bei den Einheimischen war sie wohlbekannt. Sie rühmten ihr nach, keine Frau habe ein Königreich so fürsorglich und großzügig beherrscht; das war ihre feste Überzeugung. Dreizehn Jahre stand Kriemhilt in diesem Ruf bei den Hunnen. Sie hatte nun erkannt, daß niemand ihr Widerstand leistete (wozu Gefolgsleute sonst mitunter aufgelegt sind gegen die Frau des Königs) und daß sie immer zwölf Könige zu ihrer Verfügung hatte. Sie erinnerte sich an manches Leid, das ihr daheim zugefügt worden war. Sie dachte an die Macht der Nibelungen, die sie besessen hatte und die Hagen mit Sîfrits Tod ihr entwunden hatte, und ob sie ihm das jemals noch bitter entgelten könne. ›Das wäre möglich, wenn ich ihn hierher locken könnte.‹ Sie träumte, daß sie mit Gîselher Hand in Hand ginge. Sie küßte ihn oft im Schlafe; das sollte ihn in Bedrängnis bringen. Wahrscheinlich hat der Teufel ihr geraten, Gunther die Freundschaft aufzukündigen, den sie doch versöhnlich geküßt hatte in Burgund. Ihr Gewand wurde fleckig von Tränen. Von früh bis spät lag ihr auf der Seele, daß sie ohne ihr Verschulden mit einem Heiden leben mußte. Das hatten ihr Hagen und Gunther angetan. Sie verlorihren Vorsatz kaum je aus den Gedanken. Sie dachte: ›Ich bin so mächtig und reich, daß ich meinen Feinden Leid zufügen kann, und bei Hagen würde mich das freuen. Und ich habe Sehnsucht nach meinen beiden getreuen Brüdern. Wenn ich meine Feinde hier hätte, könnte ich meinen Geliebten rächen. Ich kann es kaum erwarten.‹ So dachte sie. Alle Männer des Königs hatten ihr ihre Zuneigung geschenkt. Eckewart

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