Das Niebelungenlied
nach Burgund zurückkommen. Das sagten mir zwei Meerfrauen heute früh. Ich rate Euch: Waffnet Euch gut. Wir haben hier große Feinde und müssen uns in acht nehmen. Ich hoffte, ich könnte die Meerfrauen der Lüge überführen. Sie sagten, daß keiner von uns unversehrt heimkommen würde als der Kaplan; deswegen wollte ich ihn so gern ertränken.« Diese Botschaft flog von Schar zu Schar. Die Helden erblaßten, sie fürchteten den Tod.
Als sie drüben bei Mehring waren, wo der Fährmann denTod gefunden hatte, sagte Hagen »Ich habe mir Feinde an unserem Weg geschaffen, wir werden gewiß angegriffen. Ich habe den Fährmann heute morgen erschlagen. Sie mögen es erfahren haben. Darum greift zu und laßt Gelpfrât und Else übel abfahren, falls sie heute unsere Leute angreifen. Ich weiß, sie sind so kühn, daß sie sich nicht zurückhalten werden. Und laßt die Pferde langsam gehen, damit niemand glaubt, wir wären auf der Flucht.« – »Den Rat nehmen wir an«, sagte Gîselher
»Wer soll den Zug durchs Land führen?« Sie antworteten »Das soll Volkêr tun, er kennt hier Weg und Steg.« Ehe der Wunsch noch ganz ausgesprochen war, sah man den Spielmann schon gewaffnet dastehen. Er band den Helm über. Seine Rüstung war prächtig bunt. Dazu befestigte er eine rote Fahne an einem Lanzenschaft. Später kam er mit seinen Königen in schlimme Nöte.
Der Tod des Fährmanns war Gelpfrât als verbürgte Nachricht zugekommen, auch der starke Else hatte es erfahren. Beide entrüsteten sich. Sie riefen ihre Männer, die waren schnell versammelt. Bald sah man sie anreiten, die in heftigen Gefechten schon gräßlichen Schaden angerichtet hatten: Sie kamen zu siebenhundert oder mehr mit Gelpfrât. Ihre Herren führten sie, als sie den Feinden nachzureiten begannen. Sie hatten es allzu eilig, die kühnen Fremdlinge zu erreichen, an denen sie sich rächen wollten. Um so mehr Männer verloren sie.
Hagen von Tronege hatte es so eingerichtet (und wie konnte ein Held besser für seine Verwandtschaft sorgen?), daß er mit seinen Männern und Dancwart in der Nachhut ritt, und das war klug. Der Tag war nahezu am Ende. Er fürchtete Leid und Wunden für seine Freunde. Mit erhobenen Schilden ritten sie durch Bayern, und nach kurzer Zeit wurden sie angegriffen. Auf beiden Seiten der Straßeund dicht hinter sich hörten sie Hufklappern – die Verfolger hatten es zu eilig. Da sagte Dancwart: »Sie wollen uns hier angreifen. Es ist am besten, jetzt die Helme aufzubinden.« Sie hielten an. In der Finsternis sahen sie den Glanz der Schilde. Hagen mochte nicht langer schweigen. »Wer verfolgt uns?« Da sagte der Markgraf von Bayern: »Wir suchen unsere Feinde, ihnen jagen wir nach. Ich weiß nicht, wer heute meinen Fährmann erschlagen hat; er war ein tüchtiger Mann, und es tut mir leid um ihn.« Hagen antwortete: »War das dein Fährmann? Er wollte uns nicht übersetzen. Ich trage allein die Schuld, ich habe ihn erschlagen, weil er mich beinah umgebracht hätte, das ist die völlige Wahrheit. Ich habe ihm Gold und Kleidung zum Lohn angeboten, damit er uns übersetzte in dein Land, Ritter. Da wurde er so wütend, daß er mit einer dicken Ruderstange nach mir schlug, das erzürnte mich. Ich griff zum Schwert und habe ihm eine schwere Wunde beigebracht, an der ist er gestorben. Ich will Euch die Buße geben, die Ihr fordert.« Da begann der Streit, sie waren fest entschlossen. »Ich wußte wohl«, sagte Gelpfrât, »als Gunther mit seinem Gefolge hier vorüberzog, daß Hagen von Tronege uns ein Leid angetan hat. Er soll nicht davonkommen. Für den Tod des Fährmanns muß er einstehen.« Sie senkten die Speere über die Schilde. Gelpfrât und Hagen trieb es, gegeneinander anzureiten. Else und Dancwart erprobten, was sie leisten konnten in erbittertem Gefecht. Läßt sich ein besserer Kampf denken? Hagen fiel rückwärts vom Pferd durch einen starken Stoß Gelpfrâts. Sein Zügel war gerissen. Da überkam ihn die Kampflust. Von ihrem Gefolge her schallte das Krachen der Lanzenschäfte. Voll Wut gegen Gelpfrât raffte Hagen sich von seinem Sturz ins Gras auf. Ich weiß nicht, wer Hagen und Gelpfrât die Pferde gehalten hat – sie waren beide abgestiegen und griffen sichzu Fuß an. Ihre Gefährten standen ihnen bei, so daß ein hitziger Kampf entbrannte. So stürmisch Hagen auch auf Gelpfrât eindrang, der Markgraf schlug ihm ein großes Stück aus dem Schild, daß die Funken stoben; Hagen wäre beinahe zu Tode gekommen. Da rief er nach Dancwart.
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