Das Niebelungenlied
wenn er Rittern gefällig sein kann.« König Gunther sagte: »Wenn Ihr mein Bote sein wollt und fragen, ob Rüedegêr uns aufnehmen will, so werde ich Euch immer nach Kräften dankbar sein.« – »Das will ich gern tun«, erwiderte Eckewart. So schnell er konnte, machte er sich auf den Weg und richtete Rüedegêr aus, was ihm aufgetragen war. Der erhielt nicht oft so freudige Botschaft.
Rüedegêr sah ihn eilig herankommen und erkannte ihn. Er dachte, die Feinde hätten ihn überfallen. Er ging ihm vor das Tor entgegen. Eckewart schnallte das Schwert ab und legte es aus der Hand. Er hielt sich nicht auf und sagte dem Markgrafen unverzüglich: »Ich bin zu Euch gesandt von Gunther und Gîselher und Gêrnôt, jeder läßt Euch grüßen, auch Hagen und Volkêr. Der Marschall des Königs läßt Euch durch mich sagen, sie könnten Eure Gastfreundschaft brauchen.« Lächelnd antwortete Rüedegêr:»Das freut mich, daß die Könige meine Dienste in Anspruch nehmen wollen. Ich will sie ihnen nicht verweigern. Ich freue mich, sie in meiner Burg zu sehen.« – »Dancwart läßt sagen, sie seien tausendsechzig Ritter und neuntausend Knechte.« Da wurde Rüedegêr fröhlich: »Wohl mir«, rief er, »daß diese Ritter in mein Haus kommen, denen ich noch nie meine Ergebenheit beweisen konnte.« Auf seine Anordnung liefen seine Ritter und Knechte zu ihren Pferden. Sie waren mit den Befehlen ihres Herrn immer einverstanden; jetzt beeilten sie sich um so mehr. Frau Gotelint saß in ihrer Kemenate und wußte noch von nichts.
27 . WIE SIE NACH PÖCHLARN KAMEN
Der Markgraf ging zu den Frauen und brachte ihnen die angenehme Nachricht, daß die Brüder ihrer Herrin zu ihnen kommen würden. »Meine liebe Frau«, sagte er, »begrüße die Könige herzlich, und auch Hagen. Bei ihnen sind auch Dancwart und Volkêr, ein Mann von ausgezeichnetem Benehmen. Die sechs sollt Ihr küssen, auch du, meine Tochter, und leistet ihnen freundlich Gesellschaft, wie es sich gehört.« Die beiden versprachen es gern. Aus den Kisten nahmen sie die Feiertagskleider, in denen sie den Rittern entgegengehen wollten, sie wurden sehr geschäftig. Kaum eine schminkte sich das Gesicht, sie trugen helle goldene Bänder und reichen Kopfputz über dem Haar, damit der Wind es nicht verwirrte – das ist die reine Wahrheit. Wir lassen nun die Frauen bei ihrem Eifer zurück.
Rüedegêr ging mit seinen Männern in großer Eile über das Feld den Fürsten entgegen und sagte fröhlich, als er sie kommen sah: »Seid willkommen, Ihr Herren, mitsamt Eurem Gefolge! Ich sehe Euch gern in meinem Land!« DieRitter verbeugten sich dankbar vor ihm ohne jeden Hintergedanken. Er bewies ihnen seine Dienstbereitschaft. Hagen begrüßte er besonders, denn den hatte er früher als die anderen kennengelernt, und so verhielt er sich auch gegen Volkêr. Als er zu Dancwart trat, sagte der: »Wenn Ihr Euch um uns kümmern wollt, wer soll dann für unser Gesinde sorgen?« Der Markgraf antwortete: »Ihr werdet eine gute Nacht haben und Euer Gesinde auch. Was Ihr an Pferden und Kleidern mitgebracht habt, will ich so gut aufbewahren, daß nicht ein einziger Sporn fehlen soll. Ihr Knechte, schlagt die Zelte auf dem Feld auf. Was hier verlorengeht, werde ich ersetzen. Nehmt den Pferden das Zaumzeug ab und laßt sie frei laufen.« So hatte sie vorher kein Gastgeber behandelt, und die Gäste freuten sich. Als alles ausgeführt war, ritten die Herren fort. Die Knechte lagerten sich allenthalben im Gras, und ich glaube, während der ganzen Reise ist es ihnen nicht so gut gegangen.
Die Markgräfin war mit ihrer schönen Tochter vor die Burg getreten. Bei ihnen standen ihre Mädchen und Frauen, lieblich anzusehen. Sie trugen goldenen Schmuck und kostbare Kleider. Die Edelsteine leuchteten weithin aus dem prächtigen Stoff, sie waren ohne Makel. Nun kamen die Gäste und stiegen von den Pferden. Sie bewiesen außerordentliche Höflichkeit. Sechsunddreißig Mägde und viele verheiratete Frauen von makelloser Figur gingen ihnen entgegen mit den einheimischen Männern. Sie begrüßten sie sehr freundlich. Die junge Markgräfin küßte die drei Könige, wie ihre Mutter es tat. Hagen stand neben ihnen. Sie sah ihn an und hätte ihn lieber nicht geküßt, weil er ihr so furchterregend schien, aber sie mußte dem Befehl des Vaters gehorchen. Ihr Gesicht wurde bleich und rot. Sie küßte auch Dancwart und nach ihm den Spielmann, dem diese Ehrung wegen seiner Tüchtigkeit erwiesen wurde. Sienahm Gîselher an
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