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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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anzutun. Da sagte die eine Meerfrau, die Hadeburc hieß: »Edler Ritter Hagen, wenn Ihr uns unsere Kleider wiedergebt, wollen wir Euch sagen, wie es Euch bei den Hunnen ergehen wird.« Sie schwammen wie Wasservögel vor ihm auf den Wellen. Daran erkannte Hagen sie und traute ihnen tiefe Einsicht zu. Er wollte desto fester glauben, was sie ihm sagen würden, und sie erfüllten seinen Wunsch. Hadeburcsagte: »Ihr könnt unbesorgt in Etzels Land reiten. Ich bürge Euch mit meiner Treue, daß niemals Helden mit mehr Recht in irgendwelche Länder geritten sind, um, großes Ansehen zu erwerben.« Über diese Rede war Hagen froh. Er zögerte nicht mehr, ihnen die Kleider zu geben. Als sie ihre fremdartigen Gewänder angelegt hatten, sagten sie ihm die Wahrheit über die Reise ins Hunnenland. Sigelint, die andere Meerfrau, sprach: »Ich warne dich, Hagen, Sohn Aldriâns. Meine Tante hat dich wegen der Kleider belogen. Wenn du zu den Hunnen gehst, bist du übel betrogen. Kehr um, noch ist es Zeit. Denn ihr seid eingeladen, damit ihr sterben sollt in Etzels Land. Wer dorthin reitet, ist des Todes.« Da sagte Hagen: »Ihr versucht umsonst, mich zu täuschen. Wie sollte das möglich sein, daß wir alle zu Tode kommen sollten durch den Haß eines Menschen?« Sie weissagten ihm noch genauer. Wieder sprach die eine: »Es wird so sein, daß niemand davonkommt als der Kaplan des Königs, das wissen wir. Der wird gesund nach Burgund zurückkehren.« Da sagte Hagen grimmig: »Das werde ich meinen Herren schwerlich beibringen, daß wir alle bei den Hunnen ums Leben kommen sollten. Nun zeig uns den Weg über das Wasser, weise Frau.« Sie sagte: »Wenn du von der Fahrt nicht ablassen willst – wo eine Herberge auf dem hohen Ufer steht, da und nirgend anders ist der Fährmann.« Da ließ er die Prophezeiung auf sich beruhen. Die eine Meerfrau rief dem unmutigen Ritter nach: »Wartet noch, Herr Hagen. Ihr habt es gar zu eilig, hört Euch genauer an, wie Ihr hinüberkommt. Der Herr über dies Grenzland ist Else. Sein Bruder ist Gelpfrât, ein Herr in Bayern. Ihr habt große Mühsal zu erwarten, wenn Ihr durch sein Land wollt. Nehmt Euch wohl in acht und behandelt den Fährmann vorsichtig. Der ist so grimmig, daß Ihr nicht davonkommen werdet, wenn Ihr Euch nicht freundlich mit ihm stellt. Soll erEuch übersetzen, gebt ihm den Fährlohn. Er bewacht das Land und ist Gelpfrât treu ergeben. Und wenn er nicht gleich kommt, so ruft hinüber und sagt, Ihr heißt Amelrîch. Das war ein tapferer Ritter, der wegen einer Fehde dies Land verlassen hat. Wenn er den Namen hört, wird der Fährmann kommen.« Hagen verbeugte sich vor den Frauen. Mehr redete er nicht mit ihnen.
    Er ging am Fluß entlang höher auf das Ufer, bis er jenseits eine Herberge sah. Er begann kräftig hinüberzurufen. »Hol über, Fährmann«, rief er. »Ich gebe dir einen goldenen Armreifen zum Lohn. Höre, ich muß dringend hinüber.« Der Fährmann war so reich, daß er nicht zu Diensten verpflichtet war, darum nahm er selten von jemand Lohn an. Auch seine Knechte waren selbstbewußt. Hagen stand immer noch allein diesseits des Flusses. Da rief er, daß der ganze Strom widerhallte, denn seine Kraft war gewaltig: »Hol über, ich bin Amelrîch, Elses Gefolgsmann, der wegen einer großen Fehde dies Land verlassen hat.« Er hielt mit seinem Schwert einen schönen goldenen Armreifen hoch, damit man ihn übersetzte. Da nahm der stolze Fährmann selbst das Ruder. Er war jung verheiratet, aber die Gier nach Besitz nimmt ein böses Ende. Er wollte das Gold von Hagen haben und bekam den Tod durch das Schwert. Er ruderte eifrig hinüber. Als er nicht den sah, dessen Namen er gehört hatte, sondern Hagen, sagte er ergrimmt: »Ihr mögt schon Amelrîch heißen, aber Ihr gleicht nicht dem, den ich hier erwartet habe. Er war mein Bruder. Ihr habt mich betrogen, jetzt müßt Ihr hierbleiben.« – »Nein, um Gottes willen«, sagte Hagen. »Ich bin ein fremder Ritter, der für andere Kämpfer sorgen muß. Nehmt freundlich den Lohn an und setzt mich über. Ich bin Euch gut gesinnt.« Aber der Fährmann antwortete: »Das kann nicht sein. Meine Herren haben Feinde, und darum darf ich keinenFremden in ihr Land lassen. Wenn dir dein Leben lieb ist, steig möglichst rasch wieder aus.« – »Besinnt Euch besser«, sagte Hagen, »Ihr verdrießt mich. Nehmt mein Gold als freundlichen Ausgleich und setzt uns über, wir sind tausend Männer mit ebensoviel Pferden.« – »Niemals«, beharrte der zornige

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