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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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länger aufgeschoben werden. Ich weiß, daß irgendeiner von ihnen heute meine Burgen und Ländereien herrenlos machen wird. Ich befehle Euch meine Frau und meine Kinder an im Vertrauen auf Eure Großmütigkeit, und auch die Heimatlosen, die mit mir nach Pöchlarn gekommen sind.« – »Gott vergelte es dir«, sagte der König. Beide, er und die Königin, wurden zuversichtlicher. »Deine Leute sind bei uns vorzüglich aufgehoben, überdies erwarte ich von meinem Schicksal, daß du selbst alles überstehen wirst.« So setzte Rüedegêr sein Leben undseine Seele aufs Spiel. Kriemhilt fing an zu weinen. Er sagte: »Was ich versprochen habe, muß ich halten. Weh über meine Freunde, die ich so ungern angreife.«
    Man sah ihn den König tiefunglücklich verlassen. Seine Krieger standen dicht um ihn. Er sagte: »Waffnet euch, ihr alle. Ich muß die Burgunden angreifen.« Sie ließen unverzüglich ihre Waffen herbeiholen; ob Schild, ob Helm, das Gesinde trug ihnen alles heran. Für die Burgunden sollte das eine schlimme Neuigkeit werden. Rüedegêr wurde mit fünfhundert Kriegern gewaffnet und nahm noch zwölf Ritter hinzu. Die wollten sich Ruhm erwerben im Kampf; sie wußten nicht, daß sie vor dem Tode standen. Rüedegêr ging unter dem Helm voran. Seine Männer trugen scharfe Schwerter und breite strahlende Schilde an den Händen.
    Der Spielmann sah sie, und er war tief bekümmert. Auch Gîselher sah seinen Schwiegervater mit festgebundenem Helm herankommen. Was hätte er davon halten sollen, wenn nicht Gutes? Und er wurde froh. »Ein Glück sind solche Freunde«, sagte Gîselher, »wie wir sie auf dieser Fahrt erworben haben. Meine Frau soll uns hier sehr zugute kommen. Wahrlich, diese Heirat ist mir lieb.«
    »Ich begreife nicht, worüber Ihr Euch freut«, sagte der Spielmann. »Wo habt Ihr je so viele Männer mit aufgebundenen Helmen und Schwertern in den Händen kommen sehen, um eine Aussöhnung zu vermitteln? Im Kampf mit uns will Rüedegêr seine Lehen bezahlen.« Ehe der Spielmann noch ausgesprochen hatte, stand Rüedegêr vor dem Haus. Er setzte den Schild bei Fuß. Nun mußte er seinen Freunden den Gruß und die Treue verweigern. Er rief in den Saal: »Wehrt Euch nun, Ihr tapferen Nibelungen. Ihr hättet Vorteil von mir haben sollen, nun gereiche ich Euch zum Schaden. Wir sind Freunde gewesen – entbindet mich der Freundschaft.« Die bedrängten Männer erschraken überdiese Nachricht. Sie waren tief betroffen, daß ein Freund mit ihnen kämpfen wollte. Sie hatten mit ihren Feinden schon genug Mühsal gehabt. Gunther antwortete: »Gott im Himmel möge verhüten, daß Ihr uns die Treue und Hilfsbereitschaft aufkündigt, deren wir uns doch versehen haben. Ich traue euch nicht zu, daß Ihr das tun könnt.« – »Ich kann nicht anders«, sagte Rüedegêr. »Ich muß mit Euch kämpfen, ich habe es versprochen. Wehrt Euch, wenn Euch das Leben lieb ist. Kriemhilt hat es mir nicht erlassen wollen.« Gunther sagte: »Ihr kündigt uns die Freundschaft zu spät. Aber Gott würde es Euch vergelten, wenn Ihr am Ende freundlicher von uns schiedet. Wenn Ihr uns am Leben laßt, wären wir Euch ewig dankbar für die Geschenke, die Ihr uns gegeben habt: Erinnert Euch der kostbaren Gaben und des Geleits, Rüedegêr.« – »Wie sehr ich Euch gönnte, daß ich Euch so reichlich beschenken könnte, wie ich möchte! Das hat mir noch keinen Vorwurf eingebracht«, sagte Rüedegêr. »Laßt ab, Rüedegêr«, antwortete Gêrnôt. »Denn kein Wirt ist freundlicher zu seinen Gästen gewesen als Ihr zu uns. Wenn wir am Leben bleiben, soll Euch das zum Nutzen gereichen.« Rüedegêr sagte: »Wollte doch Gott, daß Ihr am Rhein wärt und ich einigermaßen ehrenvoll gestorben. Niemals sind Ritter ärger von ihren Freunden behandelt worden.« Gêrnôt antwortete: »Gott vergelte Euch die Geschenke. Mich schmerzt Euer Tod, weil mit Euch eine so vorbildliche Gesinnung zugrunde gehen soll. Ich trage das Schwert, das Ihr mir gegeben habt. Es hat mich in all dieser Bedrängnis nie im Stich gelassen. Seine Schneide hat viele Ritter getötet. Es ist hell und zuverlässig und kostbar. Aber wenn Ihr nicht davon ablaßt, daß Ihr uns angreifen wollt, wenn Ihr mir die Freunde tötet, die ich hier noch habe – dann bringe ich Euch mit Eurem eigenen Schwert ums Leben. Eure Frautut mir leid, Rüedegêr.« – »Käme es doch so, daß Euer Vorsatz in Erfüllung geht und daß Ihr davonkommt! Ich werde Euch meine Frau und meine Tochter gern anvertrauen.« Da

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