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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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und Dancwart kümmerten sich um nichts und brachten manchen an sein Ende. Gêrnôt sah mit Zorn, wie viele Rüedegêr erschlug, und er rief den Markgrafen an: »Ihr wollt keinen meiner Leute am Leben lassen, das ertrage ich nicht, ich kann es nicht länger ansehen. Nun soll Euer Geschenk Euch zum Verderben werden. Nachdem Ihr mir so viele Freunde genommen habt, wendet Euch nun zu mir. Ich will mich Eures Geschenkes so würdig erweisen, wie ich irgend kann.« Bevor der Markgraf völlig zu ihm durchdrang, verlor noch mancher Harnisch durch strömendes Blut seinen Glanz. Endlich sprangen die Ruhmsüchtigen aufeinander zu. Jeder suchte sich gegen Verletzungen zu decken. Aber ihre Schwerter waren so scharf, daß nichts dagegen schützen konnte. Rüedegêr schlug Gêrnôt durch den steinharten Helm, daß das Blut herabfloß. Der vergalt es ihm bald. So todwunder war, er schwang Rüedegêrs Geschenk hoch empor und schlug ihm durch den Schild bis zum Hals und Kinn. Das war Rüedegêrs Tod. Es gibt keinen ärgeren Dank für ein so edles Geschenk. Beide, Rüedegêr und Gêrnôt, fielen im gleichen Kampf, jeder durch die Hand des anderen.
    Als Hagen den schweren Verlust bemerkte, geriet er erst recht in Zorn. Er sagte: »Jetzt ist uns schlimm geschehen. Beide sind uns ein schwerer Verlust, den Land und Volk nicht überwinden werden. Rüedegêrs Männer sollen unser Pfand sein.« – »Oh, mein Bruder, und du, edler Rüedegêr, den ich nun betrauern muß. Auf beiden Seiten ist der Schmerz furchtbar«, sagte Gîselher, als er seinen Bruder tot sah, und es ging denen schlecht, die im Saal waren. Der Tod suchte sein Gefolge zusammen. Von den Pöchlarnern kam nicht einer mehr davon. Gunther und Gîselher, Hagen und Dancwart und Volkêr traten zu den beiden Toten und weinten vor Kummer. »Der Tod hat uns arm gemacht«, sagte der junge Gîselher. »Nun laßt das Weinen. Stellen wir uns in die Zugluft, damit die Harnische sich abkühlen. Ich glaube, Gott wird uns hier nicht länger leben lassen.« Der eine Ritter saß, der andere lehnte sich an – sie hatten wieder Ruhe. Rüedegêrs Männer lagen tot vor ihnen. Der Lärm war verebbt. Die Stille dauerte so lange, daß Etzel verdrossen wurde.
    »Wehe über solche Dienstleistung«, sagte Kriemhilt. »Sie ist nicht zuverlässig genug, um unseren Feinden zu schaden. Er will sie nach Burgund zurückbringen. Was hilft es nun, König, daß wir ihm ausgeteilt haben, was er wollte? Er hat sich unrecht verhalten. Er sollte uns rächen und bemüht sich um Aussöhnung.« Darauf antwortete Volkêr: »So verhält es sich leider nicht, Königin. Wagte ich, eine so hochgeborene Person Lügen zu strafen, dann müßte ich sagen, daß Ihr eine teuflische Lüge über Rüedegêr ausgesprochenhabt. Denn er und seine Männer sind bei dieser Aussöhnung schlecht weggekommen. Er hat die Befehle des Königs so willig ausgeführt, daß er tot ist mit seinem ganzen Gesinde. Seht Euch um, Kriemhilt, wem Ihr jetzt den Kampf befehlen wollt. Rüedegêr hat Euch bis an sein Ende gedient. Wenn Ihr es nicht glaubt, wird man es Euch zeigen.« Und sie taten es ihr zum Kummer: Sie trugen den Erschlagenen hinaus, so daß der König ihn sehen konnte. Ein solches Unglück war den Hunnen noch nicht zugestoßen. Die Schmerzgebärden von Männern und Frauen sind nicht zu beschreiben. Etzel schrie auf wie ein Löwe vor Jammer. Auch Kriemhilt klagte unmäßig um den vorbildlichen Ritter Rüedegêr.

38 . WIE DIETRÎCHS RITTER ALLE ERSCHLAGEN WURDEN
    Nun herrschte überall so großer Jammer, daß der Palast und die Türme von der Wehklage erschallten. Das hörte einer von den Amelungen, er eilte zu Dietrîch mit dieser Botschaft. Er sagte: »Hört, mein Herr, eine so maßlose Totenklage habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht vernommen. Ich glaube, König Etzel selbst ist ums Leben gekommen. Warum sollten denn sonst alle so unglücklich sein? Entweder Kriemhilt oder der König haben in der Feindschaft mit den verwegenen Gästen den Tod gefunden. Viele Ritter weinen haltlos.« Da sagte der Herr von Bern: »Liebe Männer, übereilt Euch nicht. Was die fremden Ritter hier angerichtet haben, taten sie aus Not. Und bedenkt, daß ich mit ihnen Frieden gemacht habe.«
    Da sagte Wolfhart: »Ich will hingehen und fragen, was sie getan haben, dann berichte ich Euch, was der Grund des Schmerzes ist, lieber Herr.« Dietrîch antwortete: »Wennin allgemeiner Erregung auch noch eine barsche Frage gestellt wird, können die Ritter leicht die

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