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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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kümmert sich wenig um das, was hier geschieht, weil es ihm ganz recht ist. Man sagt ihm nach, er sei der Kühnsten einer, aber das hat sich in diesen Kämpfen erbärmlich wenig bestätigt.« Rüedegêr sah den Redner bitter an und dachte: ›Dafür mußt du büßen. Du sagst, ich sei zum Feigling geworden. Das hast du zu laut gesagt.‹ Er ballte die Faust und fiel ihn an; er schlug so kräftig auf den Armen ein, daß der tot zu Boden stürzte. Da war Etzels Unglück abermals vermehrt. »Fort mit dir, du Feigling«, sagte Rüedegêr. »Ich habe genug Kummer und Sorge. Was wirfst du mir vor, daß ich nicht kämpfe. Ich wäre den Gästen mit vollem Recht feind und täte gegen sie, was ich könnte, wenn ich sie nicht hergeführt hätte. Ich habe ihnen das Geleit in das Reich meines Herrn gegeben, darum darf ich nicht mit ihnen kämpfen.«
    Da sagte Etzel zu seinem Markgrafen: »Wie habt Ihr uns geholfen, Rüedegêr! Wir haben doch so viele Tote im Land, daß wir nicht mehr brauchen. Ihr habt schlecht gehandelt.« Rüedegêr antwortete: »Was ärgert er mich und macht mir meine Stellung und meinen Besitz, den ich von dir habe, zum Vorwurf! Nun ist es dem Lügner unheilvoll ausgeschlagen.« Da kam die Königin hinzu. Sie hatte auchgesehen, was er im Zorn getan hatte. Sie klagte maßlos, ihre Augen wurden feucht, und sie sagte zu Rüedegêr: »Haben wir es verdient, daß Ihr neues Unglück auf uns häuft? Bisher habt Ihr immer gesagt, daß Ihr für uns Ehre und Leben wagen wollt. Ich habe gehört, daß viele Recken Euch den Preis zugestehen. Ich mahne Euch an Eure Treue, und ich erinnere Euch, daß Ihr mir geschworen habt, als Ihr bei mir für Etzel geworben habt: Ihr wolltet mir dienen, bis einer von uns stirbt. Nie war ich so darauf angewiesen wie jetzt.« – »Das leugne ich nicht. Ich habe geschworen, daß ich mein Ansehen und mein Leben für Euch einsetzen werde. Aber ich habe nicht geschworen, daß ich Schaden nehmen will an meiner Seele: Ich habe die Fürsten zum Fest begleitet.« Sie sagte: »Besinne dich auf deine Treue, auf deine Unbeirrbarkeit, auf die Eide, daß du meinen Schaden und mein Unglück stets rächen wolltest.« Der Markgraf antwortete: »Ich habe Euch noch nie etwas abgeschlagen.« Auch Etzel begann dringend zu bitten. Sie knieten beide vor ihm nieder. Der Markgraf war tief niedergeschlagen. Mit schmerzerfüllter Stimme sagte er: »Ich Unseliger, daß ich dies erleben muß. Ich muß auf mein ganzes Ansehen verzichten, auf mein innerstes Wesen und auf alle Bildung, die Gott mir hat zuteil werden lassen. Mein Gott, warum hilft mir nicht der Tod! Was ich auch tue und was ich unterlasse, beides ist ehrlos und verwerflich. Tue ich gar nichts, wird jede Partei mich beschimpfen. Möge Gott mich leiten.« Der König und Kriemhilt bestürmten ihn unablässig. Und so mußten Ritter sterben von seiner Hand, so kam er selbst zu Tode; ihr könnt glauben, daß er traurige Taten vollbracht hat. Er wußte, daß er sich Schaden und maßloses Elend zuziehen würde. Er hätte sich gerne geweigert. Er fürchtete sehr, die Welt werde Haß und Verachtung für ihn haben, wenn er einen Burgunden umbrachte.Er sagte dem König: »Herr König, nehmt alles zurück, was ich von Euch angenommen habe, das Land und alle Burgen, es soll mir nichts davon bleiben. Ich will zu Fuß das Reich verlassen.« Da sagte Etzel: »Und wer soll mir dann helfen? Ich gebe dir alles, Land und Burgen zu eigen, wenn du mich an meinen Feinden rächst, Rüedegêr. Du sollst ein großer König sein neben mir.« Aber Rüedegêr erwiderte: »Wie kann ich das? Ich habe sie in mein Haus geladen, ich habe sie mit bestem Willen bewirtet, ich habe sie beschenkt: Wie kann ich sie nun töten? Die Leute glauben vielleicht, ich sei zum Feigling geworden. Aber ich habe den Burgunden keinen Dienst verweigert. Und ich bin auch betrübt wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen, die ich mit ihnen eingegangen bin. Ich habe meine Tochter Gîselher gegeben, und sie könnte nirgends in der Welt besser untergebracht sein mit hohem Ansehen, Anstand, Redlichkeit und Reichtum. Ich habe keinen König gekannt, der bei solcher Jugend eine so achtbare Gesinnung besessen hätte.« Aber Kriemhilt sagte: »Edler Rüedegêr, erbarme dich unseres Unglücks. Bedenke doch, daß kein Gastgeber je so arge Gäste hatte.« Der Markgraf entgegnete: »Heut muß ich bezahlen für alles, was Ihr und der König mir an Freundlichkeiten erwiesen habt: Ich muß dafür sterben. Es kann nicht

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