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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Frühstück herab. Ein Mann ist stolz darauf, daß er immer als letzter unten ist, und es gefiel mir ganz und gar nicht, geschlagen zu werden.
    »Morgen, Ted«, tirilierte Oliver, als er den Frühstückssalon betrat.
    »Du bist widerlich fröhlich«, sagte ich und lehnte den »Telegraph« ans Glas mit der Orangenmarmelade.
    »Bin ich das? Bin ich das? Ja, ich glaube, das bin ich«, antwortete er kichernd und hopste praktisch zum Sideboard. »Ich könnte ein Pferd vertilgen. Das hätten wir, laß uns das nicht vergessen, Schatz, vielleicht alle tun müssen, wäre die kleine Lilac gestern nicht so erstaunlich genesen.«
    Hölle und Kotbälle, dachte ich. Geht das wieder los. »Beim besten Willen der Welt, Oliver«, sagte ich deutlich knirschend, »können wir heute morgen bitte ein anderes Gesprächsthema wählen als diese verfluchten Wunder?«
    »Du kannst es immer noch nicht hören, oder, Baby? Den Beweis, daß es wahrlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als deine belanglose, verkalkte, beschränkte Schulweisheit sich je träumen ließ.«
    »Ich frage mich, ob ein Mann in deinem Zustand sich wirklich mit gar so viel gebratenen Sachen vollstopfen sollte«, sagte ich und beäugte angeekelt den Haufen aus Nieren und Würstchen, den er neben mir auf dem Tisch ablud.
    »Hoho!« sagte er und begab sich zum Sideboard zurück. »Ein Mann in meinem Zustand?« Er begann den nächstenTeller vollzuschaufeln und handhabte den Auflegelöffel wie eine Cocktailmixerin. »Ich weiß ganz bestimmt nicht, was du mit ›ein Mann in meinem Zustand‹ meinst. Welcher Zustand?«
    Ich starrte zu ihm hoch, unfähig, meine Bestürzung zu verbergen. »Oh, nein …«
    Er strahlte mich mit etwas an, was er bestimmt für einen großen Glanz von innen hielt und ich für ein widerliches Grinsen.
    »O doch. O dochdochdoch.«
    »Du willst mir doch nicht weismachen, daß du ebenfalls diese verdammte Handauflegetherapie bekommen hast?«
    »Ich bin ganz, Ted. So knusprig wie dieser Schinken da und doppelt so heiß und brunstmunter.«
    »Nun«, ich maß ihn mit einem sauertöpfischen Blick, als er beim Hinsetzen zusammenzuckte, »der kleine Wunderwirker war offensichtlich nicht so gnädig, gleich all deine Gebrechen zu heilen, oder?«
    »Meinst’n das?«
    »Du hast dieselben Hämorrhoiden, die uns alle peinigen, muß ich feststellen.«
    »Ach,
die «
, sagte er lächelnd, »die verschwinden bestimmt im Lauf der Zeit.«
    »Hmph. Ich persönlich vertraue ja lieber dem guten alten Anussanol.«
    Er machte sich an sein gargantuanisches Frühstück. Trotz meiner Verärgerung fand ich mich durchaus beeindruckt von der Zuversicht seines Auftretens und dem fraglos echten Funkeln in seinen Augen.
    »Mal ernsthaft, Oliver«, sagte ich. »Glaubst du ehrlich, daß du geheilt bist? Vollständig geheilt?«
    »Ich hab meine Tabletten weggeworfen, Ted. Ich fühle mich … ach, mir fehlen einfach die Worte, wie ich michfühle. Davey ist eine Gabe Gottes. Eine Gabe von Glenda höchstpersönlich.«
    »Und seine Berührung … hast du seine Wärme gespürt, von der sie alle reden?«
    »Schatz«, sagte Oliver, eine Gabel voll Niere schwebte vor seinem Mund, »sie ist einfach das Heißeste, was ich in meinem ganzen Leben gespürt habe. Sie brennt wie ein Lötkolben. Mein Wort darauf, und wie sie brennt. Brennt sich dir direkt in die tiefsten Tiefen.«
    Jetzt wußte ich, daß ich das tun mußte, was ich am meisten verabscheute. Ich mußte nachdenken. Ich mußte mich hinsetzen, die Augen schließen, mir die Ohren zuhalten und analysieren wie ein Schachspieler oder Codeknacker. Die gefürchtetste Tätigkeit, die ein Mann in Angriff nehmen kann. Ich hatte sie nicht mehr praktiziert, seit ich das letzte Mal ein anständiges Gedicht geschrieben hatte.
    Ich entschied, daß die Villa Rotonda das ideale Cogitarium abgeben würde, aber daß es Wahnsinn wäre, mich ohne Verstärkung dorthin zu begeben. Ich ließ Oliver im rebellischen Fett seines Frühstücks und in seiner Selbstzufriedenheit schwimmen und machte mich zur Bibliothek auf.
    Trinken am Vormittag ist Gegenstand großer Debatten. Die Schwelle bewegt sich unerbittlich, je mehr Alkohol zur Gewohnheit wird. Ich kann mich der Zeiten erinnern, da ich es für unmöglich hielt, vor zwölf Uhr etwas Stärkeres als Tomatensaft wegzusüppeln. Aus zwölf Uhr wurde halb zwölf, wurde elf, wurde halb elf, wurde zehn und so weiter. Das war natürlich vor dem großen puritanischen Rückschlag, der das Trinken zum privaten Laster

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