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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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machte, das zur Mittagszeit nie das Licht des Tages erblicken darf. Alkohol ist das große Mysterium unseres Zeitalters. Wenn die Öffentlichkeit wüßte, wenn sie auch nur den geringstenSchimmer hätte, wieviel unsere Politiker und Führungskräfte trinken, dann würde ihnen das Herz bis in die Jogginghose rutschen. Zum Glück sind, was besser bekannt ist, Journalisten ebenfalls Pichelbrüder, weswegen es in ihrem eigenen Interesse liegt, das nicht an die große Glocke zu hängen. Die Zahl der Parlamentsmitglieder, die nicht, wie die Mediziner das nennen, chronische Alkoholiker sind, ist verschwindend gering. Alan Beith ist Abstinenzler, glaube ich mich zu erinnern, und Tony Benn kommt mit Tee und Pfeifentabak aus; das sind die einzigen trockenen Parlamentarier, die mir auf die Schnelle einfallen. Andere enthalten sich wahrscheinlich, weil ihre Ärzte sie gewarnt haben, daß das nächste Schnuppern am Brandy sie umbringen würde. Ich habe Kanzler und Premierminister gesehen, voll wie die Otter, auch Richter und Nachrichtensprecher und Vorsitzende multinationaler Konzerne. Ein wohlbekannter politischer Fernsehkommentator hat mir im Harpo mal erzählt, der Krieg in Bosnien, aus dem er gerade zurückgekehrt war, werde ausschließlich um Alkohol geführt. Scharmützel und Strategien würden einzig und allein im Hinblick auf Slivovitz- und Wodkanachschub angeordnet. Alkohol ist der entscheidende Faktor menschlicher Geschichte: Die Absetzung britischer Premierminister, der Bürgerkrieg in Rußland und der Ruin ganzer Wirtschaftsimperien lassen sich auf das Glas zurückführen. Man versucht uns glauben zu machen, bloß Football-Hooligans könnten das nicht kontrollieren; in Wirklichkeit ist es eine viel zu große Sache, als daß man nur daran denken könnte, ihr die Stirn zu bieten. Gott sei Dank. Denn, wo ich das alles mal losgeworden bin, mit ihm kommen wir letztlich doch weit besser aus als ohne ihn. Totalabstinenzler sind miese Menschenführer und unfähige Gatten, Liebhaber und Väter.Säufer hicksen, rülpsen, furzen, kotzen und pinkeln sich auf die Hose. Puritaner zeigen nie irgendeine Körperfunktion, und es ist nur ein kurzer Schritt davon, der Welt den Zugang zu deiner eigenen erbärmlichen Körperlichkeit zu verwehren, dahin, anderen das Recht auf ihre eigene erbärmliche Körperlichkeit abzusprechen.
    Spitzfindigkeit meinerseits, keine Frage. Vielleicht hören wir die Nachtigall der Pudoria trapsen, der Göttin des Schamgefühls. Ich glaube, mit am meisten ärgerte ich mich zunehmend darüber, daß sich seit meiner Ankunft in Swafford so rapide Verluste in meinem Trinken zeigten. Nicht, daß ich mich über mich selbst ärgerte, aber die beifällige Anerkennung aller anderen machte mich rasend.
    »Ted, du siehst so gut aus!«
    »Das scheint ja eine echte Ruhekur für dich zu sein, Ted.«
    »Wendy Whisky ist etwas pikiert, weil du sie so vernachlässigst, Liebster.«
    Der ganze Scheiß halt. Es kostete beträchtliche Anstrengungen, mich daran zu erinnern, mir von Zeit zu Zeit demonstrativ einen Drink zu genehmigen, einfach damit sie aufhörten, mir Rosenblätter auf den Pfad zu streuen und Daveys neuen Heilungserfolg im Kalender anzustreichen.
    Ich war daher zur Bibliothek unterwegs, um zu sehen, ob ich mir nicht noch ein paar durch die Kehle zwingen konnte, bevor ich ans Denken ging.
    Ich dachte, ich hätte den Laden für mich, aber ein Schniefen aus einem tiefen Ohrensessel in der Ecke verriet mir, daß ich weibliche Gesellschaft hatte.
    »Alles in Ordnung, Patricia?« fragte ich und ging zu ihr hinüber. Hätte meinem Auftritt wohl ein Husten vorangehen lassen sollen, denn sie erschrak fürchterlich.
    »Bitte, Ted! Du solltest dich nicht so anschleichen.«
    Sie hatte seit einiger Zeit kontinuierlich vor sich hin geschluchzt.
    »Tut mir echt leid«, sagte ich. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, wie sieht’s denn wohl aus, du fetter Idiot?«
    »Entgegen landläufiger Annahme«, sagte ich, »wird es nur schlimmer, wenn man es an anderen ausläßt. Du wirst bestimmt merken, daß es nicht sonderlich hilfreich ist, mich zu beleidigen.«
    »Versuchst du gerade, Mitleid zu zeigen?«
    »Es ist praktisch, und das ist netter als Mitleid.«
    Sie putzte sich die Nase. »Also das letzte, was ich brauch, ist ’ne Kreuzung aus G. K. Chesterton und einem verdammten Kalenderspruch.«
    »Du denkst immer noch an Martin Rebak?« Das war Michaels Untergebener, der Patricia in die Wüste geschickt hatte.
    Sie nickte. »Hab heute

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