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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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und Bleistift in der einen Hand, Sherryglas in der anderen. Am Horizont sammelten sich Wolken, und das lange versprochene schlechte Wetter schien endlich im Anzug zu sein. Auch in mir türmten sich Wolken auf, und Donnergrollen rumpelte mir durch den Kopf.
    Im Gartenhaus war es dunkel und kühl. Ich setzte mich auf die Holzkiste mit den Krocketschlägern und zündete mir eine Rothie an. Wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich nach den letzten beiden Tagen konfus und vereinsamt. Auf der ersten Seite des Notizbuchs fing ich an, eine Liste der Widersprüche anzulegen, die mir seit Tagen Nägel in den Hirnkasten trieben.
    Man sagt, Listenschreiben sei anal, das Kennzeichen des »Analfixierten«. Ich bin ziemlich sicher, daß keiner, der diese idiotische Phrase benutzt, die leiseste Ahnung hat, was sie bedeutet. Der Kritiker Edward Wilson beschrieb Charles Dickens einst als »analen Dandy«. Ich nehme an, auch er hatte keinen blassen Schimmer, was er eigentlich daherquatschte. Dinge aufzulisten, bei mir etwa Wörter, wenn ich mich auf ein Gedicht vorbereite, scheint mir meilenweit entfernt von der zwanghaften Aufbewahrung von Gegenständen in meinem Hintern. Kürzlich erst hatten Oliver und ich das neue Briefpapier von Swafford Hall bewundert, das Michael bei Smythson’s in der Bond Street bestellt und das Podmore auf den Sekretären und Tischender Schlaf- und Bücherzimmer sowie der Salons des Hauses verteilt hatte.
    »Uih, ich finde Briefpapier so entzückend anal!« hatte er gequiekt. Oliver, meine ich, nicht Podmore.
    »Warum
anal?
« hatte ich gereizt gefragt. »Warum nicht renal oder kranial oder pulmonal oder nasal oder testikulär? Ich meine, was um Himmels willen hat das mit Ärschen zu tun? Das ergibt einfach keinen Sinn.«
    »Laß die Haarspalterei, Liebster. Jeder weiß, daß Briefpapier anal ist. Das ist eine anerkannte Tatsache.«
    In der Kindheit machen wir angeblich Phasen durch, in denen wir Gegenstände entweder im Mund oder im Po unterbringen wollen. Wir entwickeln uns zu oral- oder analfixierten Typen. Als Raucher, Trinker, Schlemmer und Kugelschreiberknabberer kann ich als oral eingestuft werden. Das leuchtet mir ein: Die oben angegebenen Gegenstände werden ausnahmslos in den Mund eingeführt. Als Listenersteller und Liebhaber von Qualitätspapier bin ich überdies auch anal. Ergibt das Sinn? Natürlich nicht. Welchen erdenklichen Nutzen haben derlei Kategorisierungen, abgesehen davon, daß sie Leute wie Oliver mit der Gelegenheit versehen, bei Dinner-Partys flaue Witzchen zu reißen?
    Anal, bei meinem Arsch. Ich mag meine Listen. Gerade diese Liste war sehr wichtig. Eine Liste zu erstellen ist für mich, als legte ich in der wilden Müllkippe meines Verstandes einen französischen Garten an. Anal. Pah.
    Ich kaute am Bleistiftende, nahm oral einige Zedernsplitter zu mir und begann zu schreiben.
     
Edward, Jane, Lilac und jetzt möglicherweise auch Oliver wurden augenscheinlich geheilt, indem David ihnen seine Hände auflegte.
Eine warme Hand, die auf einen menschlichen Körper gelegt wird, unterscheidet sich wohl kaum von warmen Umschlägen, einem warmen Flanelltuch oder, was das angeht, einem heißen, gebutterten Teacake, das auf einen menschlichen Körper gelegt wird. Wenn Hitze allein Krebs und Asthma und Herzkrankheiten behandeln könnte, dann hätte die medizinische Welt uns darüber in Kenntnis gesetzt.
Ergo übertragen Davids Hände eine andere Kraft als Hitze.
Meinem Verständnis zufolge sind Elektrizität, Magnetismus und Schwerkraft die einzigen physischen Kraftfelder des Universums. Moleküle und Atome, oder wie die alle heißen, können von keiner anderen Kraft bewegt werden. Okay, es gibt noch ein paar, aber die existieren nur auf dem Papier.
Die einzige andere Kraft, die Berücksichtigung verdient, ist, meiner alten Einsicht zufolge, die schöpferische Kraft des Menschen, die etwa ein Gedicht schreiben oder Ungerechtigkeit beseitigen mag.
Gleichwohl gibt es so etwas wie die Kraft der Suggestion. Ein menschlicher Geist ist imstande, von einem anderen hypnotisiert oder überredet zu werden. Da wäre der Glaube, da wäre Hitler, da wären Werbespots. Aber
Glaubensheilung
? Mach mal halblang. Schmerz mag ja Einbildung sein, aber Tumore oder verstopfte Arterien wohl kaum. Außerdem ist da der Tierarzt, und da sind anscheinend Janes Ärzte.
Sollte all dies wahr sein: Sollte David wirklich Molekularstrukturen verändern können – denn darum geht es schließlich –, dann sollte die Welt es

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