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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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du weißt. Ich muß wissen, was hier eigentlich vor sich geht.«
    In der nachfolgenden Pause kämpfte er mit seinem … ich weiß nicht, Gewissen oder Stolz, nehme ich an. »Ich habe sehr warme Hände«, sagte er endlich. »Fühl mal.«
    Er gab mir die Hand. Es war ein warmer Tag, also hätte ich selbst von einem Fisch keine Kälte erwartet, aber Daveys Hand … großes Indianerehrenwort, Tanja … sie war sengend heiß. Keine feuchte Hitze, nicht verschwitzt, aber Herrgott, weit heißer als 37° C, da könnt ich drauf schwören.
    »Verdammte Scheiße, Schatz! Das ist ja, das ist ja …«
    »Ich habe schon immer sehr warme Hände gehabt, weißt du. Als ich Edward daliegen sah, wußte ich, daß meine Hand auf seiner Brust ihm helfen würde.«
    »Das ist es also, ja? Das ist schon alles?«
    David schüttelte den Kopf. »Nein. Weißt du, das hab ich mit Jane probiert, als sie vorigen Monat hier war, und nichts ist passiert.«
    »Nichts?«
    »Gar nichts. Die Leukämie sitzt tief in den Knochen, weißt du, die Blutplättchen entstehen im Mark. Ich wußte, daß ich … daß ich tief in sie hinein mußte.«
    O mein Gott, denkt Mutter. Er hat’s ihr mit der Hand gemacht. Der kleine Schatz hat mit ihr Faustball gespielt.
    »Wenn du sagst … du mußtest tief in sie hinein …?«
    David stand auf der Kippe. Er hat es noch niemandem erzählt, denk ich noch. Er steht kurz davor, mir alles auszuschütten. All die Geheimnisse seiner Zauberei.
    »Weißt du … es gibt …«
    Er verstummt.
    An der nächsten Kreuzung verlasse ich die Straße und nehme den Feldweg auf ein Wäldchen zu. Scheiß aufs Kino, wir können herausfinden, was gelaufen ist, und behaupten, wir hätten’s gesehen.
    Das Ratschen der Handbremse holt ihn aus seiner Trance.
    »Wo sind wir?« flüstert er.
    »Wir laufen ein bißchen, und du kannst mir alles erzählen.«
    Auf einem Schild am Zaun um das Wäldchen herum steht »Privat«, aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß uns jemand begegnet. David springt wie eine Antilope drüber, während ich umständlich über den Maschendraht grätsche und mit meinen besten Ralph-Lauren-Beinkleidern hängenbleibe.
    Das Gehölz hat kaum mehr als drei- bis viertausend Quadratmeter. Buchen, Eschen, Eichen, dergleichen Rohlinge.Sehr still auf diese gedämpfte Weise, die Wälder an sich haben.
    »Davey, du hast gesagt«, sagte ich, während wir ins Dunkel eindringen, »daß Janes Leukämie auf bloße Berührung nicht reagierte?«
    »Weißt du, ich wußte schon immer … und du schwörst, daß du all das für dich behältst?«
    »Ich schwöre, ich schwöre und sage es zum dritten Mal. Ich schwöre bei allem, was mir gedeihlich ist.«
    »Ich wußte schon immer«, sagte er, »daß die Gabe – ich nenne es
die
Gabe, nicht
meine
Gabe –, ich wußte schon immer, daß die Gabe von hier kommt.«
    Er blieb stehen, kniete sich hin und drückte eine Handfläche auf die Erde.
    Ich nickte. David sah aus, als wolle er am Boden bleiben, also setzte ich mich neben ihn.
    »Es ist die Macht der Allheit. Das wichtigste ist ›bündeln‹. Diese Macht der Allheit kann in mir gebündelt werden. Aber ich muß stark sein, weißt du. Ich muß … rein sein.«
    »Weißt du« wurde immer mehr zu seinem Markenzeichen. Er will mich wissen lassen. Er will es mich unbedingt wissen lassen.
    »Rein, Davey? Was meinst du mit rein?«
    »Ich bin sehr gesund, weißt du. Ich bin nie krank und kriege nie Pusteln oder stecke mich an oder sonst etwas. Das gelingt mir, weil ich nur reine Nahrung esse. Kein Fleisch von Tieren oder pflanzliche Stoffe, die künstlich bearbeitet worden sind. In der Familie hab ich als komischer Kauz gegolten, als ich noch klein war. Die meisten Kinder machen eine vegetarische Phase durch, aber sie sind nicht so engagiert wie ich schon immer. Inzwischen verstehen sie es, glaube ich. Aber sie erwähnen es nie.«
    »Und du glaubst, daß diese Diät deinen Körper gleichsam reiner macht für diese Bündelung?«
    »Das ist nur ein Teil davon. Weißt du, es gibt andere Arten der Reinheit. Mein Geist muß rein sein. Er darf von nichts Unreinem beschmutzt werden.«
    »Du meinst also, es gibt spirituelle Entsprechungen zu Fleisch und nichtorganischem Gemüse?«
    »So könnte man es ausdrücken, nehme ich an.« Davey lehnte sich zurück und schaute in das Walddach empor.
    »Also ein gesunder Geist in einem gesunden Körper?«
    »Ja. Aber, weißt du, ich bin ein Mensch, oder nicht? Ich meine, ich bin ein menschliches Wesen.«
    Ich war froh,

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