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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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keineswegs im Besitz irgendwelcher außergewöhnlicher Kräfte. Er ist ein sehr, sehr, sehr gewöhnliches Kind.‹ Das waren deine Worte. Und eine halbe Minute später …«
    »Ich stehe zu jedem Wort, das ich gesagt habe«, sagte ich.
    Ein nahezu einhelliger Wutschrei erklang ob dieser Perversität. Er wurde von Anne zu schockiertem Schweigen gebracht.
    »Jetzt seid doch endlich mal still!« wütete sie. »Ihr seht nichts, was? Ihr seht einfach gar nichts! Ihr erzählt Ted, er kann die Wahrheit nicht sehen, die direkt vor seiner Nase liegt, dabei ist es nicht Ted, sondern ihr! Ihr alle. Ted hat absolut recht. Alles, was er gesagt hat, war absolut richtig und schlüssig, und ihr seht es einfach nicht.«
    »Annie! Liebste, ich verstehe nicht!« Michael starrte verdutzt zu seiner Frau hinüber.
    »Es tut mir leid, Michael«, sagte ich. »Ich habe mit euch gespielt.«
    »Gespielt? Du hast mit uns gespielt?«
    »Na ja, nicht direkt gespielt. Mich vielleicht bloß ein bißchen gerächt. Zugelassen, daß ihr mich mißversteht. Du hast mich gefragt, ob ich glaube oder nicht, daß dein Sohn irgendwelche Kräfte hat, und ich habe gesagt, die hat er. Ich habe gesagt, daß er ein bemerkenswerter und wunderbarer Junge ist. Was du nicht verstehst, was nur Annie versteht, ist,
daß ich nicht von Davey rede

    Er konnte es immer noch nicht sehen. Keiner von ihnen konnte es sehen.
    »Du redest nicht von Davey?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe von
Simon
geredet.«
    »Was?« Oliver fuhr zu Simon herum, der dasaß mit vor dem Gesicht zitternder Gabel und vor Bestürzung und Aufruhr offenem Mund.
    »Also hör mal …«, sagte er. »Komm schon, Onkel Ted … ich finde …«
    »Es tut mir leid, Simon«, sagte ich, »aber die Wahrheit muß ans Licht.«
    Anne beugte sich vor und legte Simon eine Hand auf den Arm.
    »Ted! Annie! Erklärt … bitte, erzählt mir, was hier los ist«, sagte Michael.
    »Du hast vor zwei Jahren selbst gesehen, wie alles angefangen hat, Michael«, sagte ich. »Bis auf weiteres können wir es das erste Wunder nennen. Ihr kamt in das Zimmer, in dem Edward am Ersticken und vom Asthma schon fast bewußtlos war. Simon tat, was jedermann mit gesundem Menschenverstand tun würde. Er pumpte dem Jungen die Arme auf und ab und versuchte, die Atmung in Gang zu bringen. Er schlug auf Edwards Rippen ein. Ein paar Sekunden danach drängelte der sentimentale, hysterische David ihn beiseite, verängstigt von so viel Gewalt und völlig ohne zu wissen, wie wichtig sie war. Er hat ihm geradedie Hand auf die Brust gelegt, als du mit Annie hereinkommst, genau in dem Moment, als sich der Erfolg von Simons löblicher Erster Hilfe einstellt und Edward zu husten und zu spucken anfängt. Du siehst die auf die Brust gelegte Hand und denkst sofort an deinen Vater, den sie trotz seines augenscheinlich gesunden Menschenverstandes fast so weit gebracht hätten, zu glauben, daß er mit dem entzündeten Fuß seines Burschen etwas Außergewöhnliches angestellt hätte. Später irgendwann erzählst du Davey diese Geschichte, und der dumme Junge, der seine Hand wahrscheinlich nur auf die Brust gelegt hatte, um den Herzschlag des Jungen zu prüfen oder was ähnlich Überflüssiges, glaubt, er hätte von seinem Großvater eine mystische Kraft geerbt.«
    »Aber … so kannst du doch alles rationalisieren«, sagte Patricia. Dennoch lag ein Hauch von Zweifel in ihrer Stimme.
    »Wenn man einen Sonnenuntergang rationalisiert, wird er dadurch nicht weniger schön«, sagte ich. »Soll er auch nicht. Simon ist aufmerksam, praktisch, unsentimental und gütig. Außerdem ist er überhaupt nicht eingebildet. Ihm wäre es nie eingefallen, Verdienst für sein Tun in Anspruch zu nehmen oder Dankbarkeit zu fordern. Davey dagegen … na, überlegt bloß mal. Und jetzt denkt daran, wie es weiterging. Michael und Annie beschließen, daß Edwards Wunderheilung durch Davey ein Geheimnis bleiben soll. Michael, weil er nicht will, daß sein Sohn wie Albert gehetzt oder gefürchtet wird, Annie, weil sie sieht, was Michael glaubt und wie sehr es ihn mit Stolz auf seine Familie erfüllt. Und sie befürchtet, Michael könne glauben, sie sei irgendwie auf Daveys offenkundige Gaben eifersüchtig. Was du natürlich auch wirklich gedacht hast, nicht wahr, Michael?«
    Michael nickte.
    »Und das Wichtigste kommt noch. Trotz des Pakts der Geheimhaltung und des Schweigens sprachen Daveys Kräfte sich herum. Wie? Das kann ich euch sagen. Davey sorgte schon dafür, daß es sich

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