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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Natur seinen Körper mit dieser scheußlichen Flüssigkeit vollgepackt? Wie sollte er eine reine, süße, kleine Butterblume bleiben, wenn solch spritzender Schrecken in ihm lauerte? Er löste es folgendermaßen. Samen war ein lebenspendender Geist, so viel war ihm bekannt. Solange er das lustvolle Verströmen dieses Geistes vermied, würde er rein bleiben, würde sogar die reinste, mächtigste vorstellbare Essenz sein. Er entschied, daß sein Samen … ich hoffe, dastrifft dich nicht allzu unvorbereitet, Annie … das ideale Medium seines Heilens war. Als seine Kusine Jane nach Swafford zu Besuch kam, wurde ihm der ideale Testfall präsentiert. Er überzeugte Jane, daß sein Handauflegen nicht ausreichen würde und daß sein Geist tief in sie eindringen müsse. Eine Technik, die so mancher Sektenführer unschätzbar wertvoll fand. In Daveys Fall wurden Begehren und Appetit unterdrückt, und ich bin sicher, daß er wirklich glaubte, sein einziges Motiv sei, zu heilen und zu helfen.«
    »Oh, Davey …«, flüsterte Annie. Dieser Zug der Missionen und Emissionen ihres Sohnes war ihr vollständig verborgen geblieben, und ich fühlte mich etwas mies, es sie so in aller Öffentlichkeit wissen zu lassen.
    »Es tut mir leid, euch sagen zu müssen, daß er denselben Trick höchstwahrscheinlich bei Lilac probiert hat«, fügte ich hinzu.
    Kieferladen knallten auf Teller, und Oliver fing an, mir tödliche Blicke zuzuwerfen.
    »Nur Oliver kann euch verraten«, sagte ich in dem Gefühl, er habe das verdient, »welche Technik in seinem Fall zur Anwendung kam.«
    Köpfe schwangen zu ihm herum. Der arme Oliver, kein guter Heuchler.
    »Hört mal«, sagte er und leckte sich die Lippen. »Wir haben doch alle daran geglaubt, oder? Ein paar von uns glauben es immer noch. Alles, was Ted gesagt hat, war bigott und nebensächlich. Er hat nichts widerlegt.«
    »Du hast meinen Sohn verführt?« fragte Michael.
    »Nein, verdammte Scheiße, er hat mich verführt! Er hat mir erzählt … Herrgott, es klingt albern, wenn man’s so ausdrückt … hey, wenn ihr’s unbedingt in der Sprache hören wollt, die Wallace versteht, dann ja, Davey hat mich inden Arsch gefickt. Und mir geht’s blendend, oder nicht? Aber es war Davey.
Simon
hat nichts für mich getan. Mit dem Dämlack hab ich die ganze Woche kaum ein Wort gesprochen. Es ist Davey! Natürlich ist es Davey. Warum hört ihr dieser fetten Pottsau überhaupt zu? Was ist mit Jane und Lilac?«
    Mary und Max tauschten entsetzte Blicke. Sie dachten an Clara, die Armen.
    »Das mit Lilac kann ich erklären«, sagte ich. »Ich fürchte, die ganze Episode war einzig und allein meine Schuld.«
    »
Deine
Schuld?« Michael runzelte die Stirn.
    »Ja, es ist die einfachste Sache der Welt. Ich hab heute Abend den Tierarzt, Nigel Ogden, angerufen. Ich bat ihn um die Bestätigung, daß Lilac wirklich an einer Kreuzkrautvergiftung gelitten habe. Er sagte, das sei das einzige, was die Niedergeschlagenheit erklären könne, das Bluten aus dem Maul, das ziellose Im-Kreis-Laufen, das Lehnen an der Wand, die Bauchschmerzen, die Appetitlosigkeit, den Durchfall, den wahnsinnigen Durst, alles. Aber ich hatte heute abend in der Badewanne eine Eingebung, wißt ihr. Wie Archimedes. Ich bin vielleicht kein Tierarzt, aber niemand kann bestreiten, daß ich Säufer bin. Was wäre, fragte ich den Tierarzt, wenn Lilac
betrunken
war? So richtig sternhagelvoll? Neben dem Sattel und breit wie ’ne Stallwand. Nigel dachte nach und mußte zugeben, er habe noch nie ein betrunkenes Pferd gesehen, aber er nehme an, die Symptome könnten in etwa dieselben sein, die er diagnostiziert habe. Es würde ein Pferd ganz schön mitnehmen, meinte er, da sie sich mit dem Erbrechen sehr schwer tun. Das erkläre allerdings nicht das Bluten aus dem Maul. Aber auch darauf hatte ich eine Antwort. Die Gründe würden hier zu weit führen, aber am frühen Morgen des zweiten Tages meines Besuchs hier habe ich im Westpark einevolle Flasche zehn Jahre alten Malt Whisky in einen Eimer fallen lassen, genau da, wo Lilac und ihre vierbeinigen Kumpane seither geweidet haben.«
    »Was hast du getan?« keuchte Patricia.
    »Ja, ich weiß, das klingt verrückt, aber in dem Moment erschien es mir als das beste. Die Einzelheiten können wir später klären. Jedenfalls, heute abend in der Wanne, als mir das wieder einfiel, paßte plötzlich alles zusammen. Vor dem Essen bin ich hinausgeschlichen und habe den Eimer unter die Lupe genommen. Die Flasche war zerbrochen,

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