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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Meistens freut sie sich, mich zu sehen, solange ich mich anständig benehme.
    Ich schloß meine Inspektion ab.
    »Und es ist genauso fabelhaft, dich zu sehen, Annie«, entgegnete ich. »Du siehst jünger aus. Hast ein bißchen abgespeckt.«
    »Michael ist in der Stadt. Hofft, nächste Woche rauskommen zu können. Ich soll dir von ihm einen Schlag auf die Rippen verpassen.«
    Ich merkte, daß sie immer noch das Fenster im Auge hatte, und folgte ihrer Blickrichtung. Der Südrasen erstreckt sich, wie du sicher weißt, zu einem See hinab, vor dem auf einer kleinen Erhebung eine Miniaturausgabe der Villa Rotonda steht, die als eine Art Gartenhaus genutzt wird. Anne sah, daß ich sie beobachtete, zuckte die Achseln und lächelte.
    »David sitzt da drin«, sagte sie. »Ted, ich glaube, es ist wirklich das beste, daß du gekommen bist.«
    »Aha«, sagte ich unverbindlich.
    »Ich mache mir seinetwegen solche Sorgen. Ich sollte es dir nicht verheimlichen … es ist etwas seltsam.«
    Sie brach ab. Simon stand in der Tür.
    »Mutter, ich hau ab nach Wymondham, Robbie besuchen. In Ordnung?«
    »Ja, Liebling.«
    »Ich bleib vielleicht über Nacht.«
    »Gut, gut. Denk dran, Podmore zu sagen, daß du nicht zum Abendbrot da bist…«
    Er nickte und ging. Anne setzte sich.
    »Armee, hab ich gehört?« sagte ich und setzte mich zu ihr aufs Sofa.
    Sie wirkte verwirrt. »Armee? Was für eine Armee?«
    Ich zeigte auf die Tür. »Simon.«
    »Ach so. Ja. Ja, stimmt.«
    »Hört sich verrückt an«, sagte ich und quasselte weiter, um ihr die Chance zu geben, das loszuwerden, was sie gerade loswerden wollte. »Ich bin bloß hingegangen, weil ich andernfalls in den Bau gewandert wäre. Die Vorstellung, daß jemand sich aus freien Stücken einziehen läßt, wenn es nicht obligatorisch ist… seinen Wosbie hat er hinter sich, ja?«
    »Nein … Wosbie gibt’s nicht mehr. Das erledigt jetzt… das
RCB
, glaub ich.«
    »Klar«, grunzte ich leutselig, zufrieden, die Rolle des herumposaunenden alten Haudegens zu spielen. »Natürlich. ›Berufssoldaten‹ nennen die sich heutzutage. Die Fähigkeit, die Portkaraffe beim Herumgehen nicht das Tischtuch berühren zu lassen, reicht nicht mehr. Heute muß man Kantonesisch sprechen, einen Panzermotor auseinander nehmen, eine Diskussionsgruppe über das Posttraumatische Streßsyndrom leiten können und die Vornamen seiner Männer kennen.«
    »Ted«, sagte sie endlich mit einem bittenden Unterton. »Du bist ein Dichter. Ein Künstler. Ich weiß, daß du … daß du dich gerne zum Klassenclown machst, aber das bist du trotzdem.«
    »Das bin ich trotzdem.«
    »Ich habe dein Werk nie richtig verstanden, aber das ist natürlich auch nicht Sinn der Sache, stimmt’s?«
    »Na ja…«
    »Aber ich weiß, daß du eine Menge nachdenkst über … über, ich weiß nicht …
Ideen

    »Ein junger Lyriker sagte mal zu Mallarmé: ›Ich hatte heute Nachmittag eine wunderbare Idee für ein Gedicht.‹ – ›Oje‹, sagte Mallarmé, ›wie schade.‹ – ›Wie meinen Sie das?‹ fragte der junge Lyriker gekränkt. ›Nun‹, sagte Mallarmé, ›Gedichte bestehen nicht aus Ideen, nicht wahr? Sie bestehen aus Worten.‹«
    »Ach, sei doch mal ernst, Ted, bloß einmal. Bitte.«
    Ich hatte gedacht, ich wäre ernst, aber brav setzte ich eine nachdenkliche Miene auf und beugte mich vor.
    »Wir alle machen uns ziemliche Sorgen darüber, daß David zunehmend merkwürdig wird.«
    »Ach ja?«
    »Es ist nichts«, Annie legte ihre Hände an die Wangen wie eine errötende Maid, »nichts, was mit Händen zu greifen wäre. Er ist wirklich lieb. Schrecklich höflich, schrecklich rücksichtsvoll. Jeder findet ihn einfach süß. Er hat nie Schwierigkeiten in der Schule. Er scheint bloß nicht ganz … von dieser Welt zu sein.«
    »Ein Tagträumer.«
    »Nein, auch nicht ganz. Ich finde, er ist immer … so weit weg von uns. Ergibt das Sinn?«
    »Wir leben in einer Zeit, die auf Privates Wert legt, weißt du.«
    »Bei einer Soiree am letzten Wochenende sagte er laut und deutlich zur Gattin unseres hiesigen Abgeordneten: ›Welches Tier, glauben Sie wohl, hat den längsten Penis?‹ Sie lachte hysterisch und zerbrach den Stiel ihres Weinglases. Aber er meinte es ganz ernst. ›Wirklich, welches,glauben Sie? Welches Tier?‹ Schließlich schlug sie aus reiner Verzweiflung den Blauwal vor. ›Nein‹, sagte er. ›Der männliche Kaninchenfloh. Der erigierte Penis des männlichen Kaninchenflohs hat zwei Drittel der Länge seines Körpers. Finden

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