Das Nilpferd
bis eine amerikanische Studentin das entdeckte und sich brieflich erkundigte, was ich damit gemeint hatte. Drei Monate später kam sie mit einem Forschungsstipendium nach England und fand es heraus.
Entschuldige meine Abschweifungen, meine Liebe, aber Du ahnst ja nicht, wie gut es tut, das alles mal loszuwerden, und da Du mir nicht gesagt hast, wonach ich eigentlich suchen soll, habe ich sonst noch nichts zu schreiben.
Als ich jedenfalls gerade an der Verskunst verzweifelte und mir noch ein Glas Scotch eingoß, klingelte das Telefon an meinem Bett.
»Ted, ich bin’s, Anne.«
»Meine Liebste!«
»Genau. Schon eingelebt?«
»Wie eine Madenbrigade im Speckknödel.«
»Dann komm runter, ich will mit dir reden.«
Sie war in einem der nach Süden gelegenen Salons und sah aus dem Fenster. Beim Knarren des Parketts drehte sie sich um und bedachte mich mit einem Lächeln des Willkommens.
»Ted, es ist wirklich fabelhaft, dich zu sehen.«
Ich gesellte mich zu ihr ans Fenster, küßte ihr beide Wangen und trat dann einen Schritt zurück, um sie zu begutachten. Sie war schon immer ein anziehendes kleines Wesen; blondes Haar, ausgeprägte Wangenknochen, Augen so blau wie etcetera. Ich weiß nicht, wie gut Du sie kennst, schließlich ist sie bloß eine angeheiratete Tante von Dir, also bring ich Dich mal aufs laufende.
Sie hatte Logan geheiratet, als er und ich noch in Uniform herumtrampelten. In jenen Tagen besaß er keinen roten Heller, und sie war die Tochter eines entbehrlichen Pleitegeiers von Graf. Während eines albernen Divisionsmanövers in der Gegend von Thetford Chase waren Michael und ich als die einzigen Subalternoffiziere, die nicht »Pardon« sagten oder ihre Messer wie Bleistifte hielten, vom Kommandeur zum Dinner nach Swafford Hall eingeladen worden, damals ein so feuchtkalter Klotz, daß man im Salon den Atem vor dem Mund sah und die Nippel der Damen vorstanden wie Bakelit-Beschläge. Anne war damals elf Jahre alt und zum traditionellen Kinderdienst rekrutiert worden, Oliven herumzureichen und die Gäste lieblich anzulächeln, bevor sie ins Bett gesteckt wurde. Mir war sie nicht besonders aufgefallen, außer als ich merkte, daß die Rückseite ihres qualvoll schlichten Samtkleides voller Hundehaare war.
Auf der Rückfahrt im Auto drehte Michael, dem sich der Kommandeur in schnarchender Betäubtheit an die Schulter gekuschelt hatte, sich zu mir.
»Tedward«, flüsterte er, »eines Tages heirate ich das Mädchen und kaufe das Haus.«
»Nicht, bevor ich Poeta Laureatus geworden bin«, hatte ich gesagt.
»Die Wette gilt.«
Der Fahrer drehte sich um und grinste. »Und ich bin dann Chef der Labourpartei«, sagte er.
»Schnauze, Korporal«, fauchten wir im Chor, »und achten Sie auf die Straße.«
Der Kommandeur war aufgewacht und kotzte ausgiebig Michaels kleine Uniformjacke voll.
Wie es dem Fahrer erging, weiß ich nicht. Wenn Du mich fragst, wurde er wirklich Vorsitzender der LabourParty. So was hat mich nie sonderlich interessiert. Gesichert ist, daß sie mich nicht zum Poeta Laureatus ernannt haben, und das würden sie auch dann nicht, wenn ich der letzte lebende britische Lyriker wäre, für den ich mich im übrigen auch halte. Michael und ich verließen die Armee, sobald wir unsere zwei Jahre hinter uns hatten. Zehn Jahre danach hatte er Lady Anne geheiratet, wieder zwei Jahre später starb der adlige Schwiegervater an einem Gefäßverschluß, und Michael kaufte Swafford von Alec, dem neuen Lord Bressingham, einem heimtückischen jungen Bauernlümmel, der nach einer Kreuzung aus Bryan Forbes und Laurence Harvey aussah und der heilfroh war, das Bargeld in seiner Brieftasche aus Eidechsenleder verstauen und in ein Apartment am Berkeley Square verschwinden zu können. Es war eine schrullige kleine Laune des Schicksals, das Alec Bressingham in Zusammenarbeit mit Logans Schutzengel dazu auserkor, während der nächsten fünf Jahre dieses Geld alsJetons in der Kasinokette von Mayfair zu verjubeln, über die Michael damals gebot. Alec gelang es sogar, sich in einem Hotel zu erschießen, das Logan gehörte. Anne hatte das nicht sonderlich mitgenommen, der Bursche war bloß ein entfernter Vetter gewesen, und sie hatte ihn sowieso immer des Antisemitismus verdächtigt, ein Makel, den sie überall witterte, wie so viele, die in den Stamm einheirateten. Mich sprach sie allerdings von diesem Laster frei, wahrscheinlich, weil ich so unverschämt gewesen war, Michael als »du alter Jude« zu begrüßen.
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