Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
nicht geschehen war. Ich hatte mich eine halbe Stunde lang mit einem Jugendlichen unterhalten, der behauptete, ein Dichter zu sein, und er hatte nicht im geringsten zu erkennen gegeben, daß er mir auch nur ein einziges seiner Gedichte vorlesen wollte. Vielleicht ist dies das Wunder, Jane, auf das Du angespielt hast…
    Das war am Montagnachmittag. Dienstag war ein ereignisloser Tag. Wir sind im Boot auf den See hinausgerudert, und ich habe Chablis getrunken und auf Davids Bitte hin aus meinen
Gesammelten Gedichten
vorgelesen. Er machte immer noch keine Anstalten, mir seine eigenen aufzudrängen.
    Er fand
Bei Betrachten des Gesichts von W. H. Auden
zu gekünstelt, woraufhin ich entgegnete, genausogut könne man sich darüber beschweren, daß
Die Hundertundein Dalmatiner
so viele Hunde enthielten. Ihm gefielen
Martha, in einem Lichtspalt gesehen
und
Ballade des Arbeitsscheuen
, aber sein eigentlicher Favorit war natürlich
Wo der Fluß endet
, und ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, daß das in Wirklichkeit auf die Mitteilung hin entstanden war, daß die Lyrik von Gregory Corso und Lawrence Ferlinghetti ins Schulcurriculum aufgenommen worden war. Er hielt es für ein ökologisches Gedicht, ein grünes Gedicht
avant la lettre
, über Abwassereinleitung ins Meer. Die Jugend ist ein Stoff, bei dem ich schäumen könnt.
    Wie umnachtet oder unter Hypnose merkte ich, daß ich ihn fragte, ob er, wo ich ihm jetzt meine gezeigt hatte, mir nun seine zeigen würde.
    Er wurde rot wie ein überreifer Pfirsich. »Die willst du nicht wirklich sehen«, sagte er.
    »Oder hast du welche im Kopf? Ehrlich, ich würde gern was hören.«
    Und das aus dem Mund von Ted Wallace, merk’s Dir, von dem man sagt, daß er sich bei drohenden Lyriklesungen sofort in dichtesten Verkehr stürzt.
    Das Gedicht war kurz, das war gut. Das Gedicht war lieblich, das war gut. Das Gedicht hatte Form, das war gut. Das Gedicht war schlecht, das war schlecht. Das Gedicht hieß »Der grüne Mann«, das war unverzeihlich.
     
    Der grüne Mann
     
    Ich sog an der Erde und sog an der Flur
    Erde ist trocken, Puder für Locken
    Ich reckte mich hoch und pflückt’ am Azur
    Azur ist blau und als Kleid zum Frohlocken
     
    Ich leckte das Gras und leckte es rein
    Reines Gras wird Heu; Gold fürs Gewebe
    Ich umarmte das Laub; preßte sein Grün
    Gepreßt wird Mark Blut, und Blut muß leben
     
    Ich säte den Samen, Saat meines Seins
    Samensaat ist weiß, weiß wie der Wind
    Sei bald geboren, Blut meines Gebeins
    Der Erde Sohn und der Wälder Kind
     
    Der Mann aus Stroh, der Gott der Glut
    Blau ist sein Mantel, stolzgeschwellt
    Das süße Grün, das Grün im Blut
    Wasche uns rein und erlöse die Welt
     
     
    Ich hatte Dich gewarnt. Es ist, als röche man die Fürze eines anderen, oder? Er scheint auf seine anmutige Weise ein Wichsen im Walde aufgezeichnet zu haben. Falls Du Dich fragen solltest, ob ich dieses Machwerk liebevoll meinem Gedächtnis anvertraut habe, so sei versichert, daß ich es von einem sorgfältig kalligraphierten Manuskript abgeschrieben habe, das Davey mir überreichte, nachdem ich ihm (was blieb mir anderes übrig?) Komplimente gemacht hatte.
    Soviel zu Dienstag. Mittwochmorgen dagegen war für Swafford von höchster Bedeutung, denn dieser Tag sah Michaels Rückkehr aus der Stadt. Soweit wir wissen, hofft er jetzt einige Zeit bleiben zu können. In seinem Arbeitszimmer hat er eine Art Telekommunikationszentrum eingerichtet, wo er sich damit abrackern kann, Unternehmen auszuschlachten, Pensionsfonds zu übervorteilen und das zu akquirieren, was große Tiere wie Dein Onkel halt so akquirieren … Akquisitionen, nehme ich an.
    Mittwochnachmittag standen David und ich auf dem Bleidach über dem Vorderportal und sahen der Landung des Hubschraubers auf dem Südrasen zu. Michael kletterte heraus, stürmte aufs Haus zu, wobei er seinen Kopf festhielt (seine Perücke, wenn man dem schmierigen Gerücht in diesem Hause Raum lassen will. Ich werde es schon noch herausfinden, da mach dir keine Sorgen), und sah, sobald er den schlagenden Rotorblättern entkommen war, zu uns hoch. David winkte, Logan winkte zurück. Ich winkte, Logan linste, winkte dann und sprang herum. Ein Willkommen. Ein großes, auftrumpfendes Willkommen von einem großen, auftrumpfenden Mann.
    Wir strömten die hölzernen Sprossen hinunter, ich keuchte in Davids Kielwasser; wir polterten durch den alten Kinderflügel, stolperten die Hintertreppe hinab undhurraten zu seiner

Weitere Kostenlose Bücher