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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Besitz und geritten von, wie das in Rennprogrammen immer heißt, Michael selbst. Der Name des Tieres, Lilac, abgesehen davon, daß er mehr auf Camp gestylt ist als ein Treffen dänischer Pfadfinder in Spandexshorts, verrät sein Gwendolyn-Geschlecht. Lilac ist eine große braune Stute und Logans Cox-Orange-Augapfel. Gestern begann sie, wie ich äußerst akkurat aufführte, Symptome unstatthafter Verrücktheit zu offenbaren. Tina Tierarzt äußerte, dies habe ganz das Gepräge einer Kreuzkrautvergiftung. Das gemeine Kreuzkraut, das hundsgemeine Ding, besitzt ein Alkaloid, das die Leber schrumpfen läßt: Der Menschheit ist kein Tantitod bekannt. Normalerweise fressen Pferde Kathrin Kreuzkraut nicht, da sie bitterer ist als ein vergeßner Dichter, aber Lilac weidete vorige Woche im Park vor dem Haus und mag daran geknabbert haben, ohne es zu merken. Gestern sah man, wie sie Chopin gleich aus dem Maul blutete, sich immerzu im Kreis drehte oder den Kopf an die Wand lehnte und düster dreinschaute: Dies weist so sicher auf eine Funktionsstörung der Leber hin, wie Eier oval sind. Endstation. Unheilbar. Warum Pferde Lebern besitzen, geht mir einfach nicht in den Kopf. Da will ich erst mal eins mit Woddie undTonic sehen. Aber ich darf nicht rumschwafeln, es gibt viel zu schreiben und zu tun vorm Bettchen: Ojemine, immer ist so viel zu schreiben und zu tun. Funktionsstörung der Leber ist laut Tina Tierarzt – richtiger Name Nigel Ogden, zufälligerweise ein wahrlich erlesenes Arrangement, bernsteinfarbener Kordhosen, die das zweitprovozierendste Popöchen Norfolks umhüllen – eine garantierte Einbahnstraße in Pferdchens ewige Weidegründe. Nigel ließ Simon und Michael einen Tag, um darüber nachzudenken, was sie mit Lilac anfangen wollen, und wollte des Morgens (d. h. heute) mit einem schmerzlosen Tötungsmittel zurückkehren, sollte die Beseitigung – welche Tina Tierarzt offen empfahl, so aufregend rauh, so verrücktmachend grausam, so hinreißend unsentimental ist dieses Landvolk – die favorisierte Oprah Option sein.
    Das gestrige Abendessen, Tanja, war demzufolge eine eher bedrückende Angelegenheit. Simon war naturgemäß für den Schlag auf den Schädel und schleuniges Verscheuern an die Leimfabrik. Hätte sich wahrscheinlich ein Glas umgewandelte Lilac gekauft und dazu benutzt, seine Stiefel zu flicken, das herzlose Biest.
    Ich dachte immerzu: »Mach schon, Daveybub! Leg ihr deine Hände auf. Sitz da nicht so rum …«, und Patricia und Rebecca genauso, möcht ich wetten. Annie durchbohrte uns alle mit Blicken und Davey ganz besonders, also blieb er still. Wenn es so etwas wie Telepathie gibt, dann müßte sein schnuckliges kleines Innenohr durch mein schweigend schreiendes Flehen ertaubt sein. Da lag ein Funkeln im samtnen Auge und eine Röte auf den Nektarinenwangen, die von etwas zeugten, da bin ich sicher. Es konnte keine deutlicher himmelsgesandte und engelsgewandete Gelegenheit zum Ausprobieren seiner Kräfte geben als den Krieg um Lilacs Leber, und er wußte das.
    Michael war sehr ruhig, wie er es die ganze Woche über gewesen war. Er sieht ausgelaugt aus, der arme Schafskopf. Er hat den Nachmittag und den frühen Abend mit Ted Wallace in Klausur verbracht, was, seien wir ehrlich, einen Jack Russell umhauen würde. Bei Ted gebe ich auf. Wenn ich an das fröhliche Ferkel zurückdenke, das ich in den Sechzigern und frühen Siebzigern kannte, und dann den schlammverkrusteten Klumpen betrachte, der uns heute gegenübersitzt, dann könnte ich heulen. Er läßt niemanden an sich heran. Die billige Pose des streitsüchtigen alten Kläffers ist bei den untalentierten Journalisten und Tagedieben, mit denen er herumhängt, schon schlimm genug, aber bei Ted, der doch einst eine ordentliche Portion dessen, was man gemeinhin Talent nennt, abbekommen hatte, ist sie herzzerfetzend. Du versuchst mit ihm zu reden, versuchst bloß, ihn aus seiner Privathölle rauszuholen, und er kann’s nicht ertragen, als ob ehrliche Gefühle ein geschmackloses soziales Pfui wären, wie wenn man »Verzeihung« sagt oder seinen Klodeckel mit Frottee bespannt. Ich warte bloß noch auf seinen Zusammenbruch. Hoppla, klingt ja grausam. Ich meine damit, daß ich ihn einmal sagen hören will, bloß ein einziges Mal: »Ich weiß, Oliver. Es ist schlimm. Ich hab’s verloren, und ich hasse es, und bitte vergib mir, wenn ich cholerisch und sauer bin. In Wirklichkeit bin ich immer noch der Happy Hippo mit dem goldenen Herzen. Hilf mir.« Ist das

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