Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
seiner Existenz wissen. Und dass es mit Mönchen bevölkert ist. Vermutlich geht die Lokalbevölkerung davon aus, dass sich die Mönche mit ganz anderen Dingen beschäftigen, als es tatsächlich der Fall ist, denkt er. Jesuiten. Benediktiner. Franziskaner. Zisterzienser. Was auch immer. Eine geschlossene Institution für Ausbildung und Kontemplation. So was in der Art.
*
Irgendwann im Laufe des Nachmittags bringt ein Mönch etwas zu essen. Groß und drahtig, in einer altmodischen schwarzen Wollkutte. Die Kapuze ist weit und verbirgt das Gesicht. Um die Taille hat er einen grauen Gürtel gebunden. Die Kutte ist so lang, dass sie über den Boden schleift. Er verneigt sich, zuerst vor Lorenzo, dann vor Silvio.
Mein Name, sagt er leise, ist Bartholomäus.
Lorenzo weiß nicht, was er darauf antworten soll. Schließlich sagt er: Sie wissen vermutlich, wer wir sind?
Selbstverständlich.
Dann können Sie uns vielleicht sagen, warum wir hier sind?
Soweit ich weiß, hat der Kardinal Ihnen den Grund genannt.
Also …
Tut mir leid. Ich habe keinen Rang, ich entscheide nichts, ich bin ein einfacher Ordensbruder.
Der uns einen Besuch abstattet?
Oh, entschuldigen Sie, das habe ich vergessen: Der Kardinal hat mir den Auftrag gegeben, mich um Ihr leibliches Wohl zu kümmern.
Leibliches Wohl?
Ja? Essen. Trinken. Alles, was …
Mir ist sehr wohl die Bedeutung von leibliches Wohl bekannt. Ich finde die Wortwahl nur ein wenig seltsam – in Anbetracht der Umstände.
Selbstverständlich. Tut mir leid. Drei Mahlzeiten am Tag: prima, sesta und vesper . Und jeden Morgen bringe ich Ihnen einen Obstteller und einen Krug Wasser.
Jeden Morgen? Wie lange haben Sie vor, uns hierzubehalten?
Gibt’s hier einen McDonald’s?, fragt Silvio.
Die beiden Männer sehen ihn verständnislos an.
Sobald der Auftrag ausgeführt ist, werden Sie natürlich nach Hause gebracht, sagt Bartholomäus.
Lorenzo weiß, dass er lügt, hört es an seinem Tonfall, sieht es an seinem ausweichenden Blick. Nach Hause gebracht … Damit er zur nächsten Polizeistation gehen und die Entführung anzeigen kann? Nie im Leben …
Bartholomäus wendet sich an Silvio.
Spielst du Fußball?
Ein bisschen.
Welche ist deine Lieblingsmannschaft?
Fiorentina.
Natürlich, das hätte ich mir auch denken können.
Und Ihre?
Ich kenne mich mit Fußball nicht aus.
Aber für irgendwen müssen Sie doch sein?
Juventus, vielleicht.
Silvio tut so, als müsste er sich übergeben. Bartholomäus lacht. Als sein Lachen verebbt ist, fragt Lorenzo ihn geradeheraus: Warum sind wir hier, Bartholomäus?
Das dürfen Sie mich nicht fragen. Nicht diese Dinge. Ich bitte Sie. Sie sind hier, um uns bei der Lösung des Codes zu helfen. Das ist alles, was ich weiß.
Euch helfen? Sagen sie das?
Ich weiß nichts von diesen Dingen. Ich arbeite in der Küche. Das ist nicht mein Bereich.
Aber Sie sehen, dass wir gefangen sind?
Nur vorübergehend. Ich bedaure das wirklich. Aber ich kann nicht darüber reden. Das ist nicht meine Entscheidung. Ich würde Ihnen liebend gerne helfen.
Ein Vater und sein Sohn. Silvio ist gerade mal sieben. Sieben Jahre! Sie sind unser Gefängniswärter, Bartholomäus.
Nein. Das bin ich nicht. Wirklich nicht. Ich bringe Ihnen Ihr Essen. Mehr nicht. Ich bin Gottes Diener. Ich versuche, Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Ich habe keinen Rang. Ich entscheide nichts. Wenn der Kardinal entschieden hat, Sie zu uns zu holen, bin ich sein loyaler Diener. Der Kardinal weiß am besten, was zu tun ist.
Und wenn der Kardinal einen Fehler macht?
Kein Mensch ist unfehlbar. Aber auch, wenn der Kardinal ein Mensch wie Sie und ich ist, steht er Unserem Herrn näher als wir.
Sie werden uns niemals gehen lassen, denkt Lorenzo. Das ist ganz klar. Ich weiß zu viel. Über die Burg. Den Kardinal. Über Vicarius Filii Dei. Selbst wenn ich den Code für sie löse und alles tue, wozu sie mich auffordern, werden sie uns töten. Alles andere wäre zu riskant. Wir waren in dem Moment zum Tode verurteilt, als der Kardinal und Draco unsere Zelle betreten haben, oder spätestens, als der Kardinal uns gesagt hat, wer sie sind. Aber wahrscheinlich waren wir schon lange verurteilt, bevor wir überhaupt hierhergebracht worden sind.
3 Les Prophéties (1555, 2. Aufl.), Centurie 1, Strophe 35.
4 Bestes farouches de faim fluues tranner:
Plus part du camp encontre Hister sera …
Les Prophéties (1555, 2. Aufl.), Centurie 2, Strophe
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