Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
inoffizielle König des Landes. Wer zu heftig protestierte, wurde aus dem Weg geräumt. Andere wurden mit Druck zum Schweigen gebracht. Auf jeden Fall bekam er seinen Willen.«
»Ohne dass das offiziell bekannt wurde?«
»Cäsar war klug. Er bestach die Geschichtsschreiber. Die Deckoperation war so gelungen, dass spätere Geschichtsschreiber und Autoren wie Strabo, Aulus Gellius, Ammianus Marcellinus und Orosius ihm auf den Leim gingen. Alle wiederholten nur, dass Cäsar durch einen bedauerlichen Unfall das Feuer in der Bibliothek verursacht habe. Alle ließen sich täuschen. Der Geograf Strabo besuchte Alexandria siebenundzwanzig Jahre später. Er schilderte die Stadt im Detail und verlor nicht ein Wort über die Bibliothek. Warum nicht? Weil nicht mehr viel von ihr übrig war. Oder, um es anders auszudrücken: Was noch da war, bestand aus unbedeutenden Schriftrollen, für die niemand sich interessierte. Die wichtigsten Werke hatte Cäsar in seinen vierundzwanzig Truhen fortgeschafft. Den Rest wollte er später holen, wenn seine Bibliothek in Rom fertig war.«
»Warum all diese Bezeichnungen – Bibliotheca Ditis Patris , Bibliotheca Diaboli , Bibliothek des Teufels?«
»Cäsars Männer verbreiteten das Gerücht, dass es sich bei der Sammlung um die Schriften einer okkulten Sekte handelte, die den ägyptischen Gott Seth – Setan – anbetete, den Gott der Dunkelheit und des Chaos. Sie gaben den Schriftrollen einen neuen Namen, als sie sie nach Rom geschafft hatten: Bibliotheca Ditis Patris . Dis Pater war der römische Gott der Unterwelt, und er verschmolz später mit den griechisch-römischen Göttern Pluto, Orcus und Hades. Bibliotheca Ditis Patris war für die Römer der damaligen Zeit ein erschreckender Name. Als die verschiedenen Päpste im Laufe der Geschichte von der Existenz der Sammlung erfuhren, glaubten sie, Cäsar habe Schriften gefunden, die Satan verehrten, dabei hat Satan in der Religionsmythologie zu Cäsars Zeiten kaum eine Rolle gespielt. Sie glaubten an okkulte und religiöse Informationen. An astrologische Prophezeiungen und Weissagungen. Zauberformeln. Einen Hinweis auf den Inhalt der Bundeslade. Für uns hat die Bundeslade einen mythologischen, legendären Nimbus. Für Cäsar nicht. Das alles geschah ja ein Menschenalter vor Jesu Geburt. Außerdem gehörte Cäsar einer ganz anderen Kultur an. Er verehrte die römischen Götter. Für ihn waren die Bundeslade oder das Amulett von Delphi allenfalls fremdartige und okkulte Gegenstände. Wenn auch vielleicht etwas, das ihm von Nutzen sein konnte. In seinen Memoiren verliert Cäsar nicht eine Zeile darüber, wie er mit Hilfe von Kleopatra und seinen Verbündeten in Ägypten die Bibliothek geplündert hat. Aber gewisse Dinge sind dann doch ans Licht gekommen. Ambrosius von Mailand weist in seinem Werk De Officiis Ministrorum indirekt darauf hin. Desgleichen Gaius Suetonius Tranquillus in De vita Caesarum .«
»Und was ist dann mit den Truhen passiert?«
»Das weitere Schicksal der Truhen liegt weitestgehend im Dunkeln. Die Geschehnisse werden kaum mehr erwähnt. In den Dokumenten jener Zeit finden sich allenfalls noch vage Andeutungen in irgendwelchen Nebensätzen. Es heißt, dass Kaiser Claudius die vierundzwanzig Truhen aus dem Ditis-Patris-Tempel geholt hat, um sie im Keller des Kaiserpalastes zu verwahren. Im Jahre 64 brannte Rom. Viele Jahre glaubten die Eingeweihten, dass auch die Truhen ein Opfer dieses Feuers geworden waren. Aber nein. Neros Selbstmord im Jahre 68 leitete das Vierkaiserjahr ein: Galba, Otho, Vitellius und Vespasian. Einer von ihnen, Vespasian, hatte die Truhen ein paar Jahre zuvor nach Jerusalem gebracht. 66 hatte Vespasian nämlich von Nero den Auftrag bekommen, den Aufruhr der Juden in Judäa niederzuschlagen. Vespasian hielt sich während des Bürgerkrieges im Nahen Osten auf. Der jüdische Widerstandskämpfer und Kommandant Flavius Josephus wurde von Vespasian besiegt, trotzdem entwickelte sich eine Freundschaft zwischen ihm und dem Römer. In seinem historischen Werk über die Geschichte der Juden, Antiquitates Judaicae , schreibt Flavius Josephus voller Wärme über Vespasian und erwähnt in einem ansonsten unverständlichen Nebensatz, dass Vespasian seinem Vertrauten die alexandrinische Sammlung überlassen habe. Einige Jahre später, im Jahr 70, wurde der Zweite Tempel niedergebrannt und zerstört. Aber die Truhen konnten gerettet werden. Tausend Jahre lang lagen sie hernach geschützt und verborgen in einer
Weitere Kostenlose Bücher