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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Gesicht, unerbittlich und schrecklich. Er war schlecht beraten, daß er den Schnurrbart so kurz hielt, denn so lag der Mund deutlich zutage, ein Warnzeichen für die Opfer, von der Natur gesetzt. Seine Stimme klang einnehmend, er besaß vollendete Manieren. Ich schätzte ihn auf ein wenig älter als dreißig – später erfuhr ich, daß er zweiundvierzig war.
      »Sehr schön, wirklich sehr schön!« sagte er schließlich. »Und Sie haben einen Satz von sechs zusammenpassenden Teilen? Was mich verwirrt, ist der Umstand, daß ich bisher nie von diesen herrlichen Exemplaren hörte. Meines Wissens gibt es in England nur ein Exemplar, das sich hiermit messen könnte, und es ist nicht wahrscheinlich, daß es zum Verkauf steht. Wäre es indiskret, wenn ich Sie fragte, wie Sie das Stück erworben haben?«
      »Tut das wirklich etwas zur Sache?« fragte ich möglichst unbekümmert. »Sie sehen, daß das Stück echt ist, und was den Wert angeht, so wäre ich damit einverstanden, es von einem Experten schätzen zu lassen.«
      »Sehr mysteriös«, sagte er mit einem mißtrauischen Aufblitzen seiner dunklen Augen. »Bei Ob jekten solchen Wertes möchte man natürlich alles wissen, wenn man ein Geschäft tätigt. Das Stück ist echt, das steht fest. Daran zweifle ich nicht im mindesten. Aber nehmen wir einmal an – Sie sehen, ich ziehe jede Möglichkeit in Betracht –, es stellt sich hinterher heraus, daß Sie kein Recht hatten, es zu verkaufen?«
      »Ich würde Ihnen gegen solcherart Ansprüche eine Garantie geben.«
      »Das würde natürlich die Frage aufwerfen, wieviel Ihre Garantie wert ist.«
      »Darauf würde meine Bank die Antwort geben.«
      »Soweit, so gut. Und dennoch kommt mir der Handel ziemlich ungewöhnlich vor.«
      »Sie können mit mir ins Geschäft kommen oder nicht«, sagte ich gleichmütig. »Ich habe Ihnen als erstem das Angebot gemacht, da ich hörte, Sie seien ein Kenner, aber ich werde woanders keine Schwierigkeiten haben.«
      »Von wem wissen Sie, daß ich ein Kenner bin?«
      »Ich weiß, daß Sie ein Buch über dieses Gebiet geschrieben haben.«
      »Haben Sie es gelesen?«
      »Nein.«
      »Du lieber Gott! Das wird mir immer schwieriger zu verstehen. Sie sind ein Kenner und Sammler mit einem sehr wertvollen Stück in Ihrer Sammlung, und doch haben Sie sich nicht die Mühe gemacht, das einzige Buch zu Rate zu ziehen, das Ihnen die wahre Bedeutung und den wahren Wert dessen klargemacht hätte, was Sie da besitzen. Wie erklären Sie das?«
      »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, ein praktizierender Arzt.«
      »Das ist keine Antwort. Wenn ein Mann ein Hobby hat, dann geht er ihm bis ins letzte nach, ganz gleich, welche Unternehmungen er sonst betreibt. In Ihrem Brief haben Sie sich einen Kenner genannt.«
      »Das bin ich auch.«
      »Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen, den Umstand zu prüfen? Ich muß Ihnen erklären, Doktor – wenn Sie wirklich ein Doktor sind –, daß mir die Sache doch recht verdächtig erscheint. Ich möchte Sie fragen, was Sie über den Kaiser Shomu wissen und in welche Verbindung Sie ihn mit dem Shoso-in bei Nara setzen. Lieber Himmel, verwirrt Sie die Frage? Erzählen Sie mir ein wenig über die Nördliche Wei-Dynastie und ihre Bedeutung für die Geschichte der Keramik.«
      In gespieltem Ärger sprang ich auf.
      »Das ist unerträglich, Sir«, sagte ich. »Ich bin gekommen, um Ihnen einen Gefallen zu tun, und nicht, damit Sie mich wie einen Schuljungen examinieren. Mein Wissen auf dem Gebiet mag sich mit dem Ihren nicht messen können, aber ich werde auf keinen Fall Fragen beantworten, die in einer so beleidigenden Art gestellt werden.«
      Er sah mich unverwandt an. Seine Augen hatten die Mattigkeit verloren. Sie funkelten plötzlich. Und zwischen den grausamen Lippen glänzten jetzt Zähne.
      »Was ist das für ein Spiel? Sie sind gekommen, mich auszuspionieren. Sie stehen im Dienst von Holmes. Sie wollen mich austricksen. Der Bursche liegt, wie ich höre, im Sterben, und da schickt er seine Gehilfen, mich im Auge zu behalten. Sie sind ohne Erlaubnis hier hereingekommen, und es könnte Ihnen, bei Gott, schwerfallen, wieder herauszukommen.«
      Er war aufgesprungen, und ich trat einen Schritt zurück und machte mich auf einen Angriff gefaßt, denn der Mann war außer sich vor Wut. Er mochte mich von Anfang an verdächtig gefunden haben; auf jeden Fall hatte ihm die Befragung die Wahrheit zutage gebracht. Jetzt war

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