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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dass Michael O’Connell mit Verfügungen Erfahrung hat und weiß, wie er damit umgehen muss. Anders gesagt, ich denke, O’Connell hat eine klare Vorstellung davon, womit er durchkommt und womit nicht. Aber wenn wir etwas erreichen wollen, das über eine simple gerichtliche Verfügung hinausgeht, wenn wir bezwecken wollen, dass er tatsächlich einer kriminellen Handlung angeklagt wird, müsste Ashley ihm beweisen können, dass er hinter all dem steckt, was passiert ist. Sie müsste im Gerichtssaal überzeugen und im Kreuzverhör.Darüber hinaus würde sie ein Prozess mit Michael O’Connell unmittelbar in Berührung bringen. Wenn man jemanden eines Verbrechens anklagt, dann bringt das eine sogenannte sekundäre Bindung mit sich. Man geht mit demjenigen eine tiefgreifende Beziehung ein, auch wenn er dank einer Verfügung auf Distanz gehalten wird. Sie müsste ihm vor Gericht gegenübertreten, was, wie ich fürchte, seine Obsession nur noch verstärken würde. Womöglich genießt er es sogar. Aber eines ist sicher: Ashley und O’Connell würden eine dauerhafte Verbindung eingehen, ich meine, Ashley würde ständig über die Schulter sehen, es sei denn, sie würde die Flucht ergreifen. An einen ganz anderen Ort gehen. Eine andere Identität annehmen. Und selbst das könnte ihr keine volle Sicherheit geben. Falls er sein ganzes Leben daran hängen würde, sie zu finden …«
    Sally war in Fahrt gekommen. »Angst zu haben und vor Gericht zu beweisen, dass diese Angst tatsächlich begründet ist, sind zwei Paar Schuhe. Außerdem gibt es noch etwas ganz anderes zu bedenken.«
    »Das wäre?«, fragte Scott.
    »Was tut er, falls Ashley die Verfügung tatsächlich erwirkt? Wie wütend macht ihn das? Wozu provoziert ihn ein solcher Schritt? Und wie geht es dann weiter? Vielleicht will er sie bestrafen. Oder auch uns. Vielleicht kommt er zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, etwas Drastisches zu unternehmen. Wenn ich dich nicht kriege, dann soll dich auch kein anderer kriegen. Was meint ihr, worauf das hinauslaufen kann?«
    Sie schwiegen alle, bis Ashley sagte: »Ich weiß, worauf das hinausläuft.«
    Niemand wollte näher erläutern, was sie alle verstanden.
    Doch Ashley sprach es aus, auch wenn ihre Stimme dabei zitterte: »Er wird mich umbringen wollen.«
    Scott polterte augenblicklich heraus: »Nein, nein, nein, Ashley, so was darfst du nicht sagen. Das wissen wir nun wirklich nicht.«
    Er schwieg betreten, als ihm bewusst wurde, wie absolut lächerlich jedes seiner Worte klang.
    Einen Augenblick lang wurde ihm schwindelig. Ihm war, als ob jede noch so aberwitzige Vorstellung – dass dieser Mann Ashley tatsächlich töten könnte – plausibel klang und umgekehrt alles, was vernünftig war, auf den Kopf gestellt wurde. Er merkte, wie ihn eine Eiseskälte überkam, und er sprang auf.
    »Falls er uns noch einmal nahe kommt …«
    Die Drohung schien so leer wie alles andere.
    »Was?«, platzte es aus Ashley heraus. »Was wirst du dann tun? Ihm Geschichtsbücher an den Kopf werfen? Ihn mit endlosen Vorträgen in die Knie zwingen?«
    »Nein, ich werde …«
    »Was? Was willst du machen? Und wie? Willst du mich sieben Tage die Woche rund um die Uhr bewachen?«
    Sally versuchte, Haltung zu bewahren. »Ashley«, ging sie ruhig dazwischen, »bitte zähme deine Wut …«
    »Wieso?«, schrie sie. »Wieso soll ich nicht wütend sein? Woher nimmt der Scheißkerl das Recht, mein Leben kaputtzumachen?«
    Die Antwort auf diese Frage lag für alle auf der Hand.
    »Was müssen wir demnach tun?«, fragte sie mit wankender, mühsam beherrschter Stimme. »Ich vermute, ich muss weg. Von vorne anfangen. Auf jeden Fall ganz woanders hin. Mich jahrelang verstecken, bis irgendetwas passiert, das es mir ermöglicht, wieder hervorzukriechen? Ein grandioses Suchmich-fang-mich-Spiel, ja? Ashley versteckt sich, und Michael O’Connell sucht sie. Woher will ich jemals wissen, dass ich in Sicherheit bin?«
    »Vermutlich«, bestätigte Sally, immer noch in einem möglichst gedämpften Ton, »mehr können wir uns nicht erhoffen. Es sei denn …«
    »Es sei denn was?«, fragte Scott.
    Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Wir denken uns einen anderen Plan aus.«
    »Wie meinst du das?«, wollte Scott wissen.
    Sally sprach langsam. »Ich will damit sagen, dass wir zwei Möglichkeiten haben. Die eine, den legalen Rahmen auszuschöpfen. Das mag unzureichend sein, aber das steht uns offen. Bei manchen hat es funktioniert. Bei anderen nicht. Das Gesetz bringt

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