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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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als Erste wieder zu Wort. »Wir müssen die Aufgaben benennen und verteilen. Wir brauchen einen Plan. Und dann müssen wir uns daran halten. Peinlich genau.« Sie konnte ihren eigenen Worten nicht glauben. Sie waren so eiskalt berechnend, dass es ihr fast erschien, als kämen sie nicht von ihr, sondern einem Unbekannten. Sie konnte sich keine unwahrscheinlicheren Mörder denken als ihr Trio. Sie hegte immense Zweifel daran, dass sie tatsächlich das ausführen würden, was sie vorgeschlagen hatte.
    Hope sah auf. »Ich habe keine Ahnung von diesen Dingen. Bisher hab ich noch nicht mal ein Knöllchen wegen erhöhter Geschwindigkeit bekommen. Ich lese nur selten Krimis oder Thriller; zuletzt hab ich am College
Schuld und Sühne
in einem Seminar und
Kaltblütig
in einem anderen gelesen.«
    Scott lachte etwas verlegen. »Na großartig. Im ersten treiben Schuldgefühle den Mörder fast in den Wahnsinn, so dass er sich am Ende stellt, und im anderen, na ja, da landen die Bösewichte am Galgen, weil sie keinen blassen Schimmer haben. Vielleicht sollten wir uns
die
Bücher nicht unbedingt zum Vorbild nehmen.«
    Wahrscheinlich hatte er einen ganz netten Witz gemacht, doch niemand konnte auch nur darüber schmunzeln.
    Sally winkte ab. »Wisst ihr was«, sagte sie schroff. »Wir sind keine Mörder. Wir sollten nicht einmal daran denken.«
    Scott brach das kurze Schweigen. »Mit anderen Worten, wir warten, bis etwas passiert, und hoffen, dass es keine Tragödie ist?«
    »Nein. Ja. Ich weiß nicht.« Sally schwankte plötzlich in ihren Gefühlen wie in ihrer Stimme. »Vielleicht vertrauen wir den juristischen Mitteln zu wenig. Vielleicht sollten wir doch eine einstweilige Verfügung anstreben. Manchmal funktioniert es.«
    »Ich kann nicht erkennen, was das in unserem Fall helfen sollte«, sagte Scott. »Damit ist nichts gewonnen. Wir wären weiterhin ständig in Angst. Vor allen anderen Ashley. Wie kann man so leben? Und selbst wenn es O’Connell dazu bringt, Abstand zu halten, wird jeder Tag, an dem er
scheinbar
verschwunden ist, die Unsicherheit nur noch vergrößern. Das bringt keine Lösung! Bestenfalls schafft es die Illusion von Sicherheit. Und selbst wenn es tatsächlich Sicherheit brächte, woher könnten wir wissen, ob es so ist?«
    Sally stieß einen langen Seufzer aus. »Du bringst überzeugende Argumente, Scott, die nicht von der Hand zu weisen sind. Sag mir eins: Wirst du abdrücken und jemanden töten?«
    »Ja«, brach es aus ihm heraus.
    »Machst du es dir nicht ein bisschen zu leicht? Aus dir spricht die Leidenschaft, nicht die Vernunft. Und du, Hope? Würdest du jemanden, einen Fremden, töten, um Ashley zu schützen – oder würdest du dich in dem entscheidenden Moment nicht doch vielleicht fragen: ›Was mache ich hier eigentlich? Schließlich ist sie nicht mein Kind.‹«
    »Nein, natürlich nicht«, erwiderte Hope.
    »Wie gesagt, mir scheint, wir antworten ein wenig vorschnell.«
    Scott überkam eine Woge der Frustration. »Und was ist mit dir, Advocatus Diaboli? Machst du’s?«
    Sally runzelte die Stirn. »Ja. Nein. Ich weiß es nicht.«
    Scott lehnte sich zurück. »Dann wüsste ich gerne eins. Als Ashley klein war, hast du da, wenn sie krank war, nicht mal gebetet: ›Lass es mich sein. Mach mich krank und sie gesund.‹?«
    Sally nickte. »Ich denke, jede Mutter hat das schon empfunden.«
    »Würdest du für dein Kind dein Leben geben?«
    Sally merkte, wie ihr die Emotionen die Kehle zuschnürten. Sie nickte. Sie schluckte schwer, um sich zu fassen.
    »Ich kann es«, sagte sie langsam. »Ich kann ein Verbrechen entwerfen. Ich weiß genug darüber. Und vielleicht funktioniert es sogar. Vielleicht aber auch nicht. Aber selbst wenn wir alle ins Gefängnis gehen, haben wir zumindest versucht, sie zu verteidigen. Das ist wenigstens etwas.«
    »Ja, aber nicht genug.« Scott war ein wenig überrascht, wie steif das klang. »Sag mir, was du denkst.«
    Sally wechselte unruhig die Stellung. »Was ist eurer Meinung nach O’Connells wundester Punkt?«
    »Das müsste was mit dem Vater zu tun haben«, erwiderte Scott.
    »Genauer gesagt«, fuhr Sally fort, »ihr schlechtes Verhältnis. Ich schätze, diesen Hass wird O’Connell nicht unter Kontrolle haben.«
    Scott und Hope verfielen beide in Schweigen.
    »Da bietet er Angriffsfläche. So wie es ihm gelungen ist, unsere neuralgischen Punkte aufzuspüren, so müssen wir gegen ihn vorgehen. Haben wir nicht schon ein paar Lektionen von ihm bekommen? Er hat

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