Das Opfer
perfekte, aber deutlich genug, damit sie in die gewünschte Richtung weist. Die Polizei übernimmt dann, wenn wir sauber gearbeitet haben, den Rest.«
»Und wenn er nun die Polizei auf uns verweist?«
»Darauf müssen wir gefasst sein. Bis zu einem gewissen Ausmaß können wir uns gegenseitig Alibis geben, aber vor allem müssen wir dafür sorgen, dass seine Hinweise unlogisch klingen, damit die Polizei ihm nichts von dem glaubt, was er sagt – was nicht allzu schwer fallen dürfte. Ansonsten versuchen wir, das Ganze auszusitzen. Ihr dürft nicht vergessen, wie unwahrscheinlich es ist, dass wir hinter so etwas stecken. Und Polizisten, na ja, die haben, wenn es um einen Toten geht, nun mal gerne einfache Antworten auf einfache Fragen.«
Sally schwieg, während sie zuerst Scott, dann Hope eindringlich ansah.
»Außerdem glaube ich nicht, dass er das tun wird«, fügte Sally hinzu.
»Was tun wird?«
»Uns gegenüber der Polizei zu nennen. Wenn wir es richtig anstellen, wird er gar nicht auf uns kommen.«
Scott nickte. »Aber ich war immerhin da und habe die Leute ausgefragt. Irgendwer wird sich vermutlich an mich erinnern.«
»Aus diesem Grund wirst du in einem entscheidenden Moment Meilen entfernt sein und in Zeugengegenwart ganz etwasanderes tun müssen. Zum Beispiel irgendwo in Reichweite einer Videokamera eine Kreditkarte benutzen, eine Beschwerde einlegen oder so etwas in der Art. Andererseits ist es wahrscheinlich äußerst wichtig, dass du ganz in der Nähe bist.«
Scott lehnte sich schwer zurück. »Das sehe ich auch, aber …«
»Und dasselbe gilt für Ashley und Catherine. Obwohl jeder von ihnen eine Rolle spielen wird.«
Wieder blieben die anderen beiden still.
Sally holte tief Luft. »Was uns zu der entscheidenden Frage bringt. Dem eigentlichen Verbrechen. Ich habe darüber nachgedacht, und ich denke, dass ich das übernehmen muss.«
Sie wartete, ob jemand etwas einzuwenden hatte, doch die anderen schwiegen.
»Ich werde die Waffe besorgen müssen«, stellte Hope fest. »Ich weiß immerhin, wo sie ist. Ich hab den Schlüssel.«
»Ja, aber du warst schon mal da. Du hast somit dasselbe Problem wie Scott. Nein, jemand anders muss die Waffe holen. Du kannst mir sagen, wo sie steckt.«
Hope nickte, doch Scott schüttelte den Kopf.
»Vorausgesetzt, sie ist noch da, wo du sie gesehen hast. Was nicht unbedingt der Fall sein muss.«
Sally räusperte sich. »Ja, aber selbst wenn wir die Waffe nicht finden können, dann haben wir uns ja noch nicht endgültig festgelegt. Wir können immer noch einen Rückzieher machen und mit einem zweiten Plan von vorn anfangen.«
Scott schüttelte den Kopf. »Okay, nehmen wir einmal an, wir stehlen die Pistole und übergeben sie dir. Wie kommst du auf die Idee, dass du mit einer Schusswaffe umgehen kannst. Und gar unter diesen schwierigen Umständen?«
»Muss ich eben. Ich denke, das ist meine Aufgabe.«
Hope schüttelte den Kopf. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich glaube – ich versuche, wie du vorzugehen, Sally, und wieein Polizist zu denken – wenn Ashleys Mutter ein Verbrechen begeht, liegt darin eine Gefahr. Das könnte einem Cop durchaus plausibel erscheinen. Eine Mutter, die ihr Kind beschützt. Dagegen glaube ich nicht, dass irgendjemand auf die Idee käme, das die Lebensgefährtin der Mutter so etwas tut. Mit anderen Worten schützt mich die Tatsache, dass Ashley nicht mein eigenes Kind ist, dass wir nicht blutsverwandt sind, meinst du nicht? Und für den Fall, dass es nötig wird, die Flucht zu ergreifen, wenn ein Sprint angesagt ist, dann bin ich jünger, schneller und stärker.«
Sally und Scott starrten sie an. Beide wussten, was sie ihnen sagen wollte, doch keiner von ihnen fand die Worte, es zu verhindern.
Hope versuchte trotz der Zweifel, die sich wie eine düstere Wolke über sie legten, zaghaft zu lächeln.
»Nein«, erklärte sie, »ich sollte diejenige mit der Waffe in der Hand sein.«
Diesmal war ich ganz sicher, dass ihre Stimme stockte.
»Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie sehr sich das Leben binnen Sekunden verändern kann? So viele Dinge erscheinen einem zunächst ganz klein, doch dann begreifen wir ihr ganzes Ausmaß.«
Es ging auf Mitternacht zu, und sie hatte mich mit ihrem Anruf überrascht.
»Glauben Sie«, wollte sie unvermittelt wissen, »dass wir allein, im Dunkeln bei Nacht, wenn wir im Bett liegen und uns durch eine Flut von Problemen wälzen, die besseren Entscheidungen treffen? Oder ist es klüger,
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