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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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mittleren Jahren, während er sich durchs Leben wurstelte, kam diese Bedrohung, und zum ersten Mal war er aufgerufen, etwas ganz und gar Einmaliges zu tun und damit all die sorgfältig abgesteckten Sicherheitsbarrieren zu übertreten. Es war eine Sache, als wild gewordener Vater zu agieren und zu drohen, »Ich bringe den Kerl um«, wenn die Chancen, dass es dazu kam, gleich null waren. Jetzt, da ihr Plan, einen Menschen zu töten, stand und in Gang gesetzt war, schwankte er. Er fragte sich, ob er zu mehr imstande war, als zu lügen.
    Lügen, dachte er, darin bin ich gut. Darin hab ich Erfahrung. Wieder sah er auf die Liste. Worte würden nicht reichen, so viel war klar.
    Eine weitere Woge der Übelkeit stieg in seinem Magen auf, doch er kämpfte dagegen an und fuhr los. Als Erstes musste er in ein Haushaltswarengeschäft. Er rechnete nicht damit, in den nächsten Stunden viel Schlaf zu bekommen.
     
    Es war Vormittag, und Ashley war mit Catherine allein. Sally hatte in Bürokleidung das Haus verlassen, aber zusätzliche Sachen in ihre Aktentasche gestopft. Auch Hope war, den Rucksack lässig über die Schulter geworfen, gegangen, als wenn nichts wäre. Keine der beiden Frauen hatte gegenüber Ashley oder Catherine ein Wort verloren, was der Tag bringen würde.
    Aber weder Ashley noch Catherine waren die ausweichenden Blicke entgangen.
    Falls Sally und Hope die Nacht zuvor ausreichend Schlaf bekommen hatten, so war das ihren angespannten Gesten und gereizten Äußerungen nicht anzumerken. Dennoch hatten sie eine Zielstrebigkeit und Entschlossenheit an den Tag gelegt, die Ashley beinahe vor den Kopf gestoßen hätte. Noch nie hatte sie an einer von beiden einen so stahlharten Blick gesehen.
    Catherine kam, ein wenig kurzatmig, herein. »Da ist eindeutig was im Gange, meine Liebe.« Sie hielt ihr gelbes Blatt mit den Instruktionen in der Hand.
    »Gelinde gesagt«, erwiderte Ashley. »Verdammt. Ich hasse es, wenn ich ausgeschlossen werde und mir den Kopf darüber zerbrechen muss, was passiert.«
    »Wir müssen ihrem Plan folgen. Egal, was es ist.«
    »Und wann, bitte schön, hat mal ein Plan, den meine Eltern ausgeheckt haben, tatsächlich funktioniert?«, fragte Ashley, auch wenn ihr bewusst war, dass sie wie ein gereizter Teenager klang.
    »Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass Hope gewöhnlich genau das tut, was sie sagt. Sie ist wie ein Fels in der Brandung.«
    Ashley nickte. »Oder wie in dem Song,
Thick as a brick
. Nach der Scheidung hat das mein Dad in sein Kassettendeck eingelegt, und wir haben dazu durchs Wohnzimmer getanzt. Allzu viele gemeinsame Interessen hatten wir nicht, also hat er angefangen, seinen ganzen Sechziger-Rock-and-Roll aufzudrehen. Jethro Tull. The Dead. The Who. Hendrix. Joplin. Er hat mir den
Frug
und den
Watusi
und den
Freddy
beigebracht.« Ashley sah plötzlich aus dem Fenster, ohne zu wissen, dass in ihrem Vater vor wenigen Tagen dieselben Erinnerungen hochgestiegen waren. »Ich wüsste gerne, ob wir beide je wieder zusammen tanzen werden. Ich habe eigentlich immer gedacht,wenigstens noch das eine Mal, weißt du, wenn ich heirate und alle uns zusehen. Er würde meine Hand schnappen, ein, zwei Runden mit mir auf dem Parkett drehen, und alle würden klatschen. Für mich ein langes weißes Kleid, Smoking für ihn. Als ich klein war, wollte ich nichts anderes, als mich verlieben. Nicht so ein trauriges, wütendes Durcheinander wie bei meiner Mutter und meinem Vater. Eher so etwas, wie Hope und meine Mutter es hatten, nur dass es einen so richtig unverschämt gutaussehenden, intelligenten Kerl geben würde. Und weißt du was, jedes Mal, wenn ich Hope davon erzählt habe, war sie die Erste, die zu mir gesagt hat, wie großartig das wäre. Wir haben zusammen gelacht und uns Hochzeitskleider und Blumen und all diese Sachen ausgedacht, die kleine Mädchen lieben.«
    Ashley trat zurück. »Und jetzt ist der erste Mann, der sagt, er liebt mich, und es auch noch meint, ein einziger Alptraum.«
    »Das Leben kann seltsam sein«, seufzte Catherine. »Wir müssen ihnen zutrauen, dass sie wissen, was sie tun.«
    »Meinst du, sie wissen es?«
    Catherine sah, dass Ashley den Revolver in der Rechten hielt. »Wenn sich mir die verdammte Chance bietet …«, setzte Ashley an.
    Dann zeigte sie auf die Liste. »Also gut. Erster Akt. Erste Szene. Bühne frei für Ashley und Catherine. Wie fängt unser Text an?«
    Catherine sah auf ihren Zettel. »Ich denke, wir machen erst mal diesen

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