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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Sir.«
    »Ich bin ziemlich beschäftigt«, erklärte Scott. »Aber wie kann ich Ihnen helfen?«
    Er spürte das Zögern am anderen Ende der Leitung, bevor der Student sich wieder zu Wort meldete.
    »Wir haben einen Hinweis bekommen, eine Anschuldigung, genauer gesagt, und ich gehe der Sache nach.«
    »Einen Hinweis?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, ich verstehe Sie nicht ganz«, was glatt gelogen war, da er sehr wohl wusste, worum es ging.
    »Uns liegt die Behauptung vor, Professor, Sie seien in eine, nun ja, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, eine Angelegenheitakademischer Integrität verwickelt.« Ted Morris wählte seine Worte mit Sorgfalt.
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ähm, ist das von Belang, Sir?«
    »Möglicherweise ja.«
    »Offenbar kommt der Vorwurf von einem verstimmten Absolventen an einer Universität im Süden. Mehr kann ich im Moment nicht sagen.«
    »Ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen, Examensabsolventen unten im Süden zu kennen«, versetzte Scott mit gespielter Nonchalance. »›Verstimmt‹ trifft allerdings bedauerlicherweise im Lauf einer akademischen Laufbahn auf so ziemlich jeden Absolventen zu. Liegt irgendwie in der Natur der Sache, meinen Sie nicht, Ted?« Er ließ die Anrede »Mister« fallen, um die hierarchische Distanz zu unterstreichen. Er besaß Autorität und Macht, zumindest sollte Ted Morris von der Uni-Zeitung das glauben.
    Ted Morris legte zwar eine Pause ein, war zu Scotts Ärger jedoch nicht so leicht einzuschüchtern.
    »Hier geht es allerdings um eine höchst einfache Frage. Werden Sie beschuldigt …«
    »Niemand beschuldigt mich irgendeiner Sache. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste«, warf Scott hastig ein. »Nichts, was über die reine Routine in akademischen Kreisen hinausgeht …«
    »Ich verstehe, Professor.
Routine
. Trotzdem meine ich, dass ich persönlich mit Ihnen sprechen sollte.«
    »Ich bin sehr beschäftigt. Aber am Freitag habe ich meine Sprechstunde. Kommen Sie doch dann vorbei …«
    Auf diese Weise würde er ein paar Tage Zeit gewinnen.
    »Wir sind mit dem Redaktionsschluss ein bisschen unter Druck, Professor Freeman …«
    »Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich hab immer wieder festgestellt,dass sich Ungenauigkeiten oder, schlimmer noch, Irrtümer einschleichen, wenn man die Dinge übereilt.«
    Das war ein Bluff, doch er musste sich den Studenten am Telefon ein wenig vom Hals halten.
    »In Ordnung, Freitag. Ach, Professor Freeman, nur noch eins.«
    »Was denn, Ted?«, fragte er so herablassend wie möglich zurück.
    »Sie sollten wissen, dass ich zugleich freier Mitarbeiter beim
Globe
und bei der
Times
bin.«
    Scott schluckte. »Nun denn«, sagte er in einem Ton, als sei er von der Neuigkeit geradezu begeistert. »Umso besser. Es gibt eine Menge guter Geschichten auf diesem Campus, für die sich diese Blätter interessieren könnten. Dann also bis Freitag.« Scott hoffte, dass er die Sache genügend heruntergespielt hatte, um den Kerl davon abzuhalten, bei dem Lokalressort beider Zeitungen anzurufen und mit ein paar Worten Scotts ganze berufliche Laufbahn implodieren zu lassen.
    Als er auflegte, wurde ihm bewusst, dass er noch nie in seinem Leben vor der Stimme eines Studenten solche Angst gehabt hatte. Hastig wandte er sich wieder den Unterlagen von Professor Burris zu. Bei jedem Wort, das er las, überkamen ihn Wogen der Angst.
     
    Hope begab sich zur Damentoilette in der Nähe der Zulassungsstelle, vielleicht dem einzigen Ort auf dem Campus, an dem sie eine Weile allein sein konnte. Als sich die Tür hinter ihr schloss, gab sie dem Aufruhr ihrer Gefühle nach und brach in ein ungezügeltes, verzweifeltes Schluchzen aus.
    In der Beschwerde gegen sie, die in Form einer anonymen E-Mail im Dekanat eingegangen war, wurde behauptet, Hope habe nach einem Training in einem dampfigen Vorraum zwischenden Duschen und dem Umkleideraum der Mädchen eine zurückgebliebene Studentin bedrängt. In der E-Mail wurde detailliert beschrieben, wie sie der jungen Frau die Brüste gestreichelt, ihr an den Schritt gegriffen und der Fünfzehnjährigen dabei etwas über die Vorzüge von Sex mit einer Frau zugeraunt habe. Als sich der Teenager gegen die Avancen zur Wehr gesetzt habe, sei Hope zu Drohungen übergegangen: Sie könne ihre Noten ändern, falls sie sich bei der College-Leitung oder bei ihren Eltern beschwerte. Die E-Mail endete mit dem dringenden Rat an die Schule, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ein Gerichtsverfahren oder sogar strafrechtliche

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